Physik

Neue Rekorde mit „Schrauben aus Licht“

Physiker versenden Daten über 143 Kilometer und erreichen extrem hohe Quantenzahlen

Datenübertragung per "Lichtschraube" auf der 143 Kilometer langen Strecke von La Palma nach Teneriffa. © Universität Wien

Verdrehtes Licht als Datenträger: Physiker haben gleich zwei Rekorde bei der Datenübertragung mit Licht aufgestellt. Die Informationen waren dabei auf neuartige Weise kodiert – über den Bahndrehimpuls der Photonen. Im ersten Rekord schickten die Forscher Daten mit diesem schraubig verdrehten Licht erstmals über 143 Kilometer, im zweiten erreichten sie mehr als 10.000 „Windungen“, ohne dass Photonen dabei ihre Verschränkung verloren.

Licht ist längst ein wertvolles Hilfsmittel zur Übertragung digitaler Daten – ob durch Glasfaserkabel, durch die Luft oder sogar über tausende von Kilometern durch den Weltraum. Meist erfolgt die Kodierung der Informationen dabei durch die Polarisation des Lasers, denn sie ist relativ robust auch bei atmosphärischen Turbulenzen. Doch dabei ist die Datenmenge sehr begrenzt – mehr als ein Bit pro Photon geht nicht.

Windungen wie ein Korkenzieher

Abhilfe könnte eine Modulation des Lichts mit Hilfe des Bahndrehimpulses schaffen. Dieser bringt eine Lichtwelle dazu, sich beim Ausbreiten spiralig um eine Achse zu drehen. Es entsteht eine korkenzieherförmige Wellenform – quasi „Schrauben aus Licht“, wie der Quantenphysiker Anton Zeilinger von der Universität Wien erklärt.

Der große Vorteil dabei: Man kann in diesen „Lichtschrauben“ jedem einzelnen Photon eine im Prinzip beliebige Anzahl an Windungen aufprägen. Je größer die Anzahl an Windungen, desto größer die so genannte Quantenzahl, mit der man das Photon beschreibt. Damit jedoch können Lichtschrauben im Prinzip beliebig viele Information pro Photon enthalten.

Übertragung von Insel zu Insel

Jetzt haben Zeilinger und seine Kollegen mit ihrem Korkenzieher-Licht gleich zwei neue Rekorde aufgestellt. Der erste liegt in der Übertragungsdistanz: Bisher hatten die Forscher ihre „Lichtschrauben“ erst über drei Kilometer weit durch die Luft gesendet – 2014 war das immerhin auch schon ein Rekord.

"Korkenzieher-Licht" an der Wand des ESA-Teleskops auf Teneriffa: Man erkennt noch immer die ringförmige Struktur - nach gut 100 Kilometern Übertragung. © Universität Wien

Jetzt jedoch haben die Wissenschaftler erstmals Daten mittels Korkenzieher-Licht über 143 Kilometer übertragen – von der Kanaren-Insel La Palma zum benachbarten Teneriffa. „Die Nachricht ‚Hello World!‘ wurde mithilfe eines optischen Hologramms auf einen grünen Laser aufgeprägt, und auf der anderen Insel mithilfe eines neuronalen Netzes entschlüsselt“, erklärt Mario Krenn von der Universität Wien. Das Experiment beweist damit, dass diese Form der optischen Datenkodierung auch über größere Distanzen erhalten bleibt.

Verdreht und verschränkt zugleich

Beim zweiten Rekord testeten die Forscher gemeinsam mit australischen Kollegen aus, wie stark sich einzelne Photonen schraubenartig verdrehen lassen, ohne ihre eindeutigen Quanteneigenschaften zu verlieren. Funktionieren quantenphysikalische Phänomene wie die Verschränkung auch dann noch oder übernimmt dann wieder die klassische Physik das Ruder?

Falschfarbendarstellung eines Lasers, der sich in einer quantenmechanischen Überlagerung aus den Quantenzahlen +10000 und -10000 befindet. Erst der doppelte Zoom zeigt die enorme Komplexität der Lichtstruktur. © IQOQI Wien / Robert Fickler

Um das herauszufinden, erzeugten die Physiker zunächst verschränkte Photonenpaare. Dann verdrehten sie jeweils eines der Teilchen mit Hilfe eines sogenannten spiralen Phasenspiegels, einer Technik, die die australischen Forscher erfunden haben. Im Experiment erzeugten die Wissenschaftler so Lichtschrauben mit einer Quantenzahl von über 10.000. Die Photonen waren damit hundert Mal stärker verdreht als in früheren Versuchen.

Trotz dieser enormen Verdrehung blieb die Verschränkung der Photonen jedoch erhalten, wie die Forscher berichten. Das belege, dass die Quantenphysik auch im Bereich der fünfstelligen Quantenzahlen die richtigen Vorhersagen liefere.

Hinweise für künftige Anwendungen

Die beiden Experimente stellten nicht nur neue Rekorde auf und klärten grundlegende Fragen, sie zeigen auch den Weg zu neuen Zukunftstechnologien auf. „Schon die enorme Komplexität des erzeugten Lichtstrahls ist beeindruckend und kann als ein anschauliches Zeichen gesehen werden, wie viel Information auf so einem einzelnen Lichtquant Platz haben sollte“, erläutert Robert Fickler von der University of Ottawa.

Die Ergebnisse weisen damit auf in Zukunft mögliche größere Übertragungsraten und Speichermöglichkeiten in Lichtstrahlen hin. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2016; doi: 10.1073/pnas.1616889113, doi: 10.1073/pnas.1612023113)

(Universität Wien, 16.11.2016 – NPO)

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