Die Dunkle Energie ist weder sichtbar noch direkt messbar – trotzdem scheint sie zu existieren, denn nur sie erklärt bestimmte kosmische Phänomene. Ab 2012 jedoch könnten Astronomen die Chance haben, ein besseres Bild dieser rätselhaften Energieform zu gewinnen. Denn dann soll das Teleskop eROSITA mit gleich sieben Röntgen-„Augen“ ausgerüstet ins Weltall starten. Vertreter der russischen und deutschen Raumfahrtbehörden unterzeichneten nun eine Vereinbarung für das Kooperationsprojekt.
Seit dem Urknall dehnt sich das Universum immer mehr aus, obwohl die Schwerkraft diese Expansion bremsen müsste. Doch angetrieben von der so genannten Dunklen Energie beschleunigt sich die Ausdehnung sogar noch. Was steckt hinter diesem geheimnisvollen „Stoff“, der rund 73 Prozent der Energiedichte des Weltalls ausmacht? Und welche Rolle spielt die nicht-baryonische Dunkle Materie, in der sich weitere 23 Prozent verbergen?
Diese und ähnliche Fragen soll das Röntgenteleskop eROSITA (extended ROentgen Survey with an Imaging Telescope Array) zukünftig klären helfen. Mit der Unterzeichnung einer Vereinbarung am Dienstag, 18.August 2009, haben Vorstandsmitglieder des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos in Moskau alle organisatorischen und technischen Randbedingungen festgelegt.
Beobachtungsposten am Lagrangepunkt L2
eROSITA soll im Jahr 2012 an Bord des russischen Satelliten Spektrum-Röntgen-Gamma (SRG) vom Weltraumbahnhof Baikonur aus starten. Eine Sojus-Fregat-Rakete wird das Observatorium in eine Bahn um den Lagrangepunkt L2 bringen. Dieser liegt – von der Sonne aus gesehen – etwa 1,5 Millionen Kilometer hinter der Erde und eignet sich besonders gut als Basis für astrophysikalische Beobachtungen.
Von hier aus soll eROSITA sieben Jahre lang den gesamten Himmel durchmustern und die unterschiedlichen Anteile der kosmischen Energiedichte mit bisher unerreichter Genauigkeit bestimmen. Dazu wird das Observatorium etwa 100.000 Galaxienhaufen vermessen, Gruppen von Tausenden einzelnen Milchstraßen. Denn das Röntgenteleskop sieht die Strahlung des heißen Gases, das sich jeweils im Zentrum eines Galaxienhaufens ansammelt.
Unterschiede in der Verteilung enthüllen Dunkle Energie
Die Beobachtungen geben die räumliche Verteilung der großräumigen Strukturen aber nicht nur zum gegenwärtigen Zeitpunkt wieder; weil die Haufen sehr weit entfernt sind und das Licht entsprechend lange braucht, um von diesen Objekten zu uns zu gelangen, bedeutet ein Blick in die Ferne gleichzeitig eine Reise in die Vergangenheit.
Aus dem Vergleich mit der Gegenwart, also aus der Beobachtung nahe gelegener Haufen, können die Astronomen dann auf die zeitliche Variation der Strukturen schließen – und damit auf die Rolle der Dunklen Energie, die als treibende Kraft hinter der Veränderung steckt. Daraus lässt sich etwa ableiten, ob und wie sich der Anteil der Dunklen Energie an der Energiedichte im Universum im Lauf der kosmischen Evolution verändert hat. Letztendlich rühren diese Untersuchungen an grundlegenden kosmologischen Fragen: Wie ist das Universum entstanden? Wie alt ist es? Wie sieht seine Zukunft aus?
Sieben Spiegel bei minus 80 Grad
Das Röntgenteleskop besteht aus sieben einzelnen Spiegelsystemen mit knapp 36 Zentimeter großen Öffnungen für den Lichteinfall und jeweils 54 ineinander geschachtelten Spiegelschalen, die den gesamten Himmel parallel durchmustern werden. Die Kombination aus Sammelfläche, Gesichtsfeld und Auflösungsvermögen ist bisher unerreicht. Im Brennpunkt jedes Röntgenspiegels sitzt eine speziell für eROSITA entwickelte CCD-Kamera. Während des Betriebs werden diese Kameras auf eine Temperatur von minus 80 Grad Celsius gekühlt.
In den Kameras steckt das Know-how aus dem Halbleiterlabor, das die Max-Planck-Institute für Physik in München und extraterrestrische Physik in Garching unterhalten und aus dem die weltweit empfindlichsten Röntgendetektoren stammen – etwa für die europäischen Raumsonden XMM-Newton und Rosetta sowie die beiden US-amerikanischen Marsrover Spirit und Opportunity.
Leuchtturm-Projekt der russisch-deutschen Zusammenarbeit
Der Bau des Teleskops begann bereits im Jahr 2007. Damals war in einem „Memorandum of Understanding“ die Bereitschaft von DLR und Roskosmos zur Zusammenarbeit definiert worden. Das Vorhaben ist komplex, insbesondere die Fertigung der Spiegel und der Kameras nehmen lange Zeit in Anspruch. „45 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker sind allein am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik mit Entwicklung und Bau beschäftigt“, sagt Peter Predehl, leitender Wissenschaftler des Projekts. „eROSITA ist sowohl wissenschaftlich als auch technologisch weltweit ein Spitzeninstrument der Röntgenastronomie.“
So sieht das auch DLR-Vorstandsvorsitzender Johann-Dietrich Wörner: „Dieses hoch anspruchsvolle Vorhaben ist ein Leuchtturm-Projekt in der Zusammenarbeit im Weltraum zwischen Russland und Deutschland“, sagt er. DLR-Vorstandsmitglied Gerold Reichle betont die „international starke Stellung in der Röntgenastronomie, die wir in Deutschland gewonnen haben“. Und: „Die Ergebnisse der Mission werden wertvolle neue Erkenntnisse zum tieferen Verständnis der Vorgänge im Universum liefern.“
(Max-Planck-Gesellschaft, 20.08.2009 – NPO)