Farbiger Rundumblick: Mit einer Kombination aus 3D-Scan und Computer-Tomografie haben Forscher eine ägyptische Kindermumie auf ganz neue Art begreifbar gemacht. Denn das resultierende 3D-Modell zeigt sowohl die Details des Mumieninneren, als auch die Farbenpracht der Mumienhülle. Das vor 2.000 Jahren begrabene Mädchen „Sherit“ erwacht damit gleichsam zu neuem Leben.
Mumien liefern spannende Einblicke in das Leben im alten Ägypten. Sie verraten beispielsweise, dass die damaligen Eliten teilweise schon in jungen Jahren unter Arterienverkalkung litten und auch sonst nicht sehr gesund lebten. Zudem halfen Mumienuntersuchungen dabei, historische Mordfälle und undurchsichtige Verwandtschaftsverhältnisse aufzuklären. Oft kommen bei solchen Analysen Computertomografen zum Einsatz. Diese Aufnahmen erlauben es, in das Innere der einbalsamierten Toten zu blicken, ohne die fragile und oft jahrtausendealte Hülle zu beschädigen.
Doch die CT-Technik hat einen Nachteil: Sie kann die Farben der oft bunt bemalten Totenmasken und Umhüllungen nicht wiedergeben – und damit kein realistisches 3D-Modell der Mumie erzeugen. Jetzt jedoch haben Forscher erstmals die Computertomografie mit einem hochpräzisen 3D-Scan kombiniert. Der 3D-Streifenlichtscanner Artec Eva erzeugte dabei ein vollfarbiges 3D-Bild der äußeren Oberfläche, dass dann durch Spezialsoftware mit dem CT-Bild kombiniert wurde.
Ägyptisches Mädchen als erste „Kundin“
Erste „Nutznießerin“ dieser Technologie ist „Sherit“ – die Mumie eines ägyptischen Mädchens, das vor 2.000 Jahren starb. Ihre Überreste werden in einem Museum im kalifornischen San José aufbewahrt. „Unser Anliegen bei diesem Projekt war es, die Geschichte dieses kleinen Mädchens zu erzählen“, erklärt Julie Scott vom Rosicrucian Egyptian Museum. „Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, mehr über sie zu erfahren, ohne ihre Bandagen anzutasten.“
Sherit wurde bereits 2005 einer Computertomographie unterzogen. Die CT-Daten ergaben, dass das Mädchen mit viereinhalb bis sechs Jahren gestorben sein muss – möglicherweise an einer Hirnhautentzündung oder an Durchfall. Ihr Körper wurde in feines Leinen eingewickelt und mit runden Ohrringen, einem Amulett und einer Kette aus der Römerzeit bedeckt – was vermuten lässt, dass es aus einer wohlhabenden Familie stammt.
Scan macht farbige Details der Mumienhülle sichtbar
Jetzt haben Forscher die Kindermumie zusätzlich einem 3D-Streifenlichtscan unterzogen und beide Datensätze zu einem virtuellen Abbild von Sherit kombiniert. „Diese Mumie war relativ einfach zu scannen, weil sie eine komplexe Geometrie, eine abwechslungsreiche Farbe und natürliche Unregelmäßigkeiten in der Oberfläche aufwies“, berichtet Anna Galdina von Artec, die die Mumie einscannte.
„Das einzige, was den Scan etwas schwieriger machte, war die Bitte des Museums, den Scanner nicht direkt über die Mumie zu halten“, so die Forscherin. „Das schränkte das Spektrum an Winkeln ein, aus denen ich sie scannen konnte. Doch da der Scanner so vielseitig ist, war auch das keine große Sache.“ Die Erstverarbeitung der Rohdaten erfolgte vor Ort und war in wenigen Minuten erledigt. „Als wir wieder im Büro waren, haben wir die hochauflösendere Version in etwa 1,5 Stunden fertiggestellt“, erzählt Galdina.
Virtuelles 3D-Modell von Sherit
Das Ergebnis ist eine digitale Kopie der Mumie, die sowohl ihr Inneres als auch ihr Äußeres in allen Einzelheiten zeigt. „Ich hatte noch nie zuvor ein Modell gesehen, das aus einem Artec 3D-Scan und einem CT-Scan bestand. Die Ergebnisse waren verblüffend“, berichtet Galdina. „Beide Daten-Sets waren perfekt aneinander ausgerichtet und nun ist jedes Detail der Außenfläche genauso sichtbar wie das Innere der Mumie – unglaublich!“
Das Museum wird aus diesem 3D-Modell eine interaktive Anwendung für seine Besucher erstellen. „Statt nur ein Video anzusehen, können die Besucher dann ein Tablet über den Kasten mit der Mumie bewegen und die Scan-Bilder der entsprechenden Bereiche betrachten“, sagt Scott. „Wir hoffen, dass unsere Besucher durch diese neue Technik eine Beziehung zu diesem kleinen Mädchen aufbauen können, das vor vielen, vielen Jahren lebte.“
(messerPR, 08.11.2017 – NPO)