Radioaktiv, kurzlebig und extrem selten: Das Element Einsteinium verhält sich anders als seine Nachbarn im Periodensystem – wenn man es denn überhaupt zu fassen bekommt. Denn dieses Actinoid ist extrem schwer herzustellen. Doch jetzt ist es US-Forschern gelungen, genug davon für Tests seiner Bindungslänge und Lumineszenz zu erzeugen. Diese bestätigen, dass das Element 99 unter anderem in seinem energetischen Verhalten ungewöhnlich ist.
Einsteinium ist eines der am wenigsten erforschten schweren Elemente im Periodensystem. Denn das Actinoid mit der Ordnungszahl 99 ist hochradioaktiv und lässt sich nur in winzigsten Mengen herstellen. Weltweit existieren nur wenige Nanogramm dieses Elements. Das liegt unter anderem an den extremen Bedingungen, die für seine Synthese nötig sind: Es entsteht unter anderem bei Wasserstoffbomben-Explosionen und dem Bombardement schwerer, radioaktiver Kerne mit Neutronen.
Extrem selten und kaum erforscht
Obwohl das Einsteinium schon 1952 im Fallout der auf dem Eniwetok-Atoll gezündeten Wasserstoffbombe „Ivy Mike“ entdeckt wurde, sind daher viele seiner Eigenschaften erst in Teilen erforscht. Dazu gehören seine innere Struktur, das Verhalten seiner Elektronenorbitale und damit verbunden auch sein Bindungsverhalten. So ist zwar bekannt, dass dieses Element elf Elektronen in seiner 5f-Schale hat, aber welche davon an Bindungen teilnehmen, wurde erst für wenige Reaktionspartner ermittelt.
„Beispielsweise ist unklar, welche Oxidationsstufen beim Einsteinium stabil sind“, erklären Korey Carter vom Lawrence Berkeley National Laboratory und sein Team. „Es folgt Actinoiden wie Curium, Berkelium und Californium, die den +3-Zustand favorisieren. Seine nachfolgenden Nachbarn wie Fermium, Mendelevium und Nobelium zeigen jedoch zunehmend auch den Oxidationszustand +2.“ Auch die Bindungslänge des Einsteiniums war bislang unbekannt.
Ausbeute von knapp 200 Nanogramm
Jetzt ist es Carter und seinem Team gelungen, erstmals genügend Einsteinium herzustellen, um die Bindungslänge dieses Elements zu messen. Dafür beschossen sie in einem Spezialreaktor des Oak Ridge National Laboratory in Tennessee das Actinoid Curium mit Neutronen. Dabei entstanden neben Californium auch winzige Mengen des Einsteinium-Isotops Es-254.
Nach Extraktion dieser knapp 200 Nanogramm Material ließen die Forscher der kostbare Element mit organischem Komplexbildner reagieren – einem Molekül, das mit Metallen lumineszierende Komplexe erzeugt. Mithilfe der Lumineszenz-Spektroskopie und der Röntgenspektroskopie gelang es ihnen dann erstmals, die Struktur dieses Komplexes und die Bindungslängen des Einsteiniums zu bestimmen. „Es ist schon bemerkenswert, dass wir mit einer so geringen Materialmenge arbeiten und anorganische Chemie machen konnten“, sagt Carters Kollegin Rebecca Abergel.
Unerwartete Verschiebung im Spektrum
Die Analysen ergaben: Das Einsteinium nimmt in dieser Komplexverbindung die Oxidationsstufe +3 ein. Die Bindung zum nächstgelegenen Sauerstoffatom ist dabei 0,238 Nanometer lang, die zu Kohlenstoff und Stickstoff 0,34 Nanometer. „Das Bestimmen dieser Bindungslängen mag nicht sehr interessant klingen, aber es ist das erste, was man wissen will, wenn ein Metall mit anderen Molekülen reagiert“, erklärt Abergel.
Doch es gab auch einen unerwarteten Befund: Das Einsteinium verändert sein Spektrum bei der Komplexbildung auf eine Weise, die so noch nie bei einem Actinoid beobachtet worden ist. „Diese hypsochromatische Lumineszenzverschiebung ist für ein +3-Actinoid und auch die Lanthanoide beispiellos“, berichten Carter und sein Team. Das könnte auf ungewöhnliche Kopplungen von Spin und Orbitalen in diesem Element hindeuten.
Neuer Blick ans Ende des Periodensystems
Noch sind damit die Geheimnisse des Einsteiniums lange nicht ergründet. Aber die Wissenschaftler sehen ihre Ergebnisse als ersten Schritt: „Durch diese Daten bekommen wir einen besseren und breiten Einblick darin, wie sich die gesamte Actinoid-Reihe verhält“, erklärt Abergel. „Wir verstehen dadurch besser, was sich dort am Ende des Periodensystems tut.“
Wichtig ist dieses Wissen auch für ganz grundsätzliche Fragen der Chemie und Kernphysik – beispielsweise ob es jenseits der heute bekannten Elemente noch weitere gibt. (Nature, 2021; doi: 10.1038/s41586-020-03179-3)
Quelle: DOE/Lawrence Berkeley National Laboratory