Fingerabdruck der Schiene: Forscher haben eine Technik entwickelt, durch die Position von Zügen im Schienennetz genauer und zuverlässiger bestimmt werden kann als bisher. Das neue System tastet den elektromagnetischen „Fingerabdruck“ der Schienen ab und ermittelt so die Position des Zuges präziser als GPS und günstiger als in den Schienen verbaute Sensoren. Dies könnte eine dichtere Taktung der Züge ermöglichen und so den Schienenverkehr effizienter machen.
Um Menschen oder Waren von A nach B zu bringen, ist der Schienenverkehr im Vergleich zum Straßenverkehr deutlich klimaschonender und umweltfreundlicher. Doch mangelnde Kapazitäten, häufige Verspätungen und teils unvorteilhafte Taktung dämpfen die Begeisterung vieler Reisender für die Bahn. Auch ein Ausbau des Güterverkehrs auf der Schiene stockt. Könnten innerhalb eines gegebenen Zeitraums mehr Züge auf demselben Gleis fahren, ließen sich viele dieser Engpässe abmildern oder gar beseitigen.
„Fingerabdruck“ der Schiene zur Ortsbestimmung
Abhilfe schaffen könnte künftig ein System, das Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und von ITK Engineering entwickelt haben. Es handelt sich um einen Sensor, der anhand eines magnetischen „Fingerabdrucks“ die Position von Zügen präziser als viele gängige Methoden ermitteln kann. „Indem wir die Position eines Zuges auf dem Gleis genauer und zuverlässiger bestimmen als bisher, können Züge in kürzeren zeitlichen Abständen einen Gleisabschnitt passieren – die Kapazität pro Gleiskilometer steigt“, sagt Martin Lauer vom KIT.
Die Funktionsweise des neuen Magnetic Railway Onboard Sensor (MAROS) ist simpel: „Auch ein Bahngleis aus Metall hat eine Art Fingerabdruck, der an jeder Stelle ein ganz individuelles Profil aufweist“, erläutert Lauer. Um diese elektromagnetische Ortssignatur einer exakten geografischen Position zuordnen zu können, muss jede Bahnstrecke zunächst mindestens einmal abgefahren und vermessen werden. Diese Daten werden dann in Karten der Zugstrecke eingespeist.
Präzise Ortung und Abstandsmessung
Damit das MAROS-System an Bord des Zuges die aktuelle Position anhand dieses magnetischen Fingerabdrucks erkennen kann, tastet es die Schiene ab: „Dazu erzeugt der Sensor, befestigt an der Fahrzeugunterseite, ein elektromagnetisches Feld, das von den ferromagnetischen Stoffen wie den Schienen oder dem Befestigungsmaterial der Schienen beeinflusst wird“, erklärt Lauter. „So lässt sich jedem Streckenabschnitt ein exakter elektromagnetischer Fingerabdruck zuteilen.“ Eine spezielle Software inklusive intelligenter Algorithmen ermittelt daraus die Position und meldet sie an die Zentrale.
Mithilfe dieses Systems kann die aktuelle Position von Zügen und damit auch ihr Abstand bestimmt werden. „Damit lassen sich Züge weltweit gleisgenau und kontinuierlich lokalisieren“, sagt Tobias Hofbaur, Programmmanager Bahntechnik bei ITK Engineering. Erste Testfahrten auf unterschiedlichen Streckenabschnitten in Österreich waren bereits erfolgreich und haben belegt, dass der Sensor funktioniert.
35 Prozent mehr Auslastung möglich
Das MAROS-System umgeht demnach auch die Defizite bestehender Ortungssysteme für den Bahnverkehr: Im Gleis verbaute Informationsträger (Balisen) sind zuverlässig, aber teuer. Kamerasysteme haben den Nachteil, dass sie bei Nacht oder Schneefall nur eingeschränkt funktionieren. GPS-Signale stoßen in Tunnels, Gebirgstälern oder Häuserschluchten an ihre Grenzen. Außerdem lässt sich durch sie nicht sicher erkennen, welches von mehreren nebeneinanderliegenden Gleisen befahren wird. „Aber eben diese genaue Lokalisierung ist für den Eisenbahnbetrieb zwingend notwendig und lässt sich über MAROS erreichen“, sagt Lauer.
Nach Ansicht des Forschungsteams eröffnet diese Technik neue Chance, den Eisenbahnverkehr sicherer und effizienter zu machen. „Die Lokalisierung ist exakter denn je, kostengünstiger als andere Technologien und weltweit auf allen Stahlschienen einsetzbar“, sagt Hofbaur. „Ein flächendeckender Einsatz des MAROS verspricht eine um 35 Prozent bessere Auslastung von Schienennetzen“, so der Forscher. Auf dem Markt verfügbar soll der Sensor bis Anfang 2025 sein.
Quelle: Karlsruhe Institute of Technology