Moderne Forschung ist heute ohne Computersimulationen nicht mehr vorstellbar. Am 21. Juli 2006 ist nun der Neubau des Leibniz-Rechenzentrums in Garching bei München eröffnet worden. Prunkstück der Anlage ist ein neuer Super-Computer, der eine Spitzenleistung von 26 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde (26 Teraflops) hat. Im Endausbau soll er 2007 bis zu 69 Teraflops leisten, und damit in die Top 10 der Welt vorstoßen. Zum Einsatz kommen soll der Rechner bei komplexen Simulationen unter anderem in der Physik und in den Geo- und Biowissenschaften.
Bundesforschungsministerin Annette Schavan sagte im Rahmen der Veranstaltung: "Investitionen wie diese ermöglichen wissenschaftliche Durchbrüche, die in wirtschaftliche Leistungskraft verwandelt werden können. Ich bin sicher, dass durch die exzellenten Möglichkeiten hier in Garching und im vernetzten Verbund der deutschen und europäischen Höchstleistungsrechner Raum für Innovationen eröffnet wird, die unsere Zukunft prägen werden."
Der neue Höchstleistungsrechner ersetzt den bisherigen Hitachi SR8000, der am 30. Juni 2006 nach über sechs Jahren Betriebszeit abgeschaltet wurde. Die Investitionskosten für das neue Rechensystem, das als nationaler Höchstleistungssrechner eingesetzt wird, betragen 38 Millionen Euro, die jeweils zur Hälfte von Bund und Land getragen werden. Er wird hinsichtlich der Peak Performance ungefähr Rang 13 in der Top500-Liste einnehmen. In Bezug auf die Sustained Perfor-mance, d.h. die erzielbare Leistung auf der Basis von realen Anwendungsprofilen wichtiger und nutzertypischer Forschungsfragestellungen, zählt der neue Rechner zu den international leistungsfähigsten Rechnern.
Aufgrund einer europaweiten Ausschreibung und der Prüfung einer Reihe attraktiver Angebote wurde ein System der Firma Silicon Graphics (SGI) mit Intel Itanium2-Prozessoren ausgewählt, da es die höchste Applikationsrechenleistung erwarten lässt. Eine Besonderheit des ausgewählten Systems ist ein sehr großer, einheitlich adressierbarer Hauptspeicher. Dadurch wird die Programmierung von parallel ablaufenden Anwendungen deutlich erleichtert. Wegen der ausgewogenen Konfiguration zwischen Rechen- und I/O-Leistung, der breiten Verfügbarkeit von Programmierwerkzeugen und Anwendungsprogrammen und seiner auf leichte Nutzbarkeit zielenden Einbettung in die Rechenzentrumsumgebung am LRZ stellt der neue nationale Höchstleistungsrechner SGI Altix 4700 einen gewaltigen Fortschritt für die Nutzer von Höchstleistungsrechnern in Deutschland dar.
Simulation Komplexer Systeme und Prozesse
Die Leistung des neuen Rechners ist nach Angaben der Forscher beeindruckend. In der ersten Ausbaustufe, die jetzt in Betrieb geht, stehen 4.096 Intel-Madison9M- Prozessoren zur Verfügung, die in einer ccNUMA-Architektur zusammenarbeiten und etwa 27 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde (27 Teraflops) erlauben (in der zweiten Lieferstufe ab Sommer 2007 dann über 60 Teraflops). Derzeit beträgt die Hauptspeichergröße 17 Terabyte, sie wird auf etwa 40 Terabyte ausgebaut. Die gegenwärtig 300 Terabyte Plattenplatz wachsen auf über 600 Terabyte. Für die Home- Directories stehen 40 (später 60) Terabyte in Form eines NAS-Speichers (Network Attached Storage) zur Verfügung. An die Außenwelt ist das System über das Deutsche Forschungsnetz mit zehn Gigabit/s-Ethernet- Technik angeschlossen.
Eingesetzt wird der neue Rechner vor allem für die Simulation komplexer Systeme und Prozesse in der Physik, Materialforschung, Strömungsdynamik, Astrophysik, Chemie sowie in den Geo- und Biowissenschaften. Beispiele hierfür sind die Untersuchung der Turbulenz, von Strömungen in porösen Gebilden, das Zusammenwirken von Strömungen und deformierbaren Strukturen, die Entstehung und Ausbreitung von Schall, Hochtemperatur-Supraleitung, Formgedächtnismaterialien, chemische Reaktionen bei Verbrennungs- und Katalyseprozessen, die Ausbreitung von seismischen Wellen und Erdbeben sowie die Untersuchung der Beziehungen zwischen Sequenz, Struktur und Funktion bei Proteinen. Voraussetzung für die Nutzung des Rechners ist eine positive Begutachtung des jeweiligen Projektes durch ein Expertengremium.
Entscheidend für die Leistungsfähigkeit ist aber neben der Rechenleistung auch die Infrastruktur und die Vernetzung mit Nutzern und anderen Rechenzentren. Das wird in exzellenter Weise durch das Leibniz-Rechenzentrum erfüllt. Es bildet gemeinsam mit den Höchstleistungsrechenzentren in Jülich und Stuttgart einen Verbund, der auf Initiative von Bundesforschungsministerin Schavan in der vergangenen Woche gegründet wurde. Damit wird der größte Rechnerverbund in Europa geschaffen. Die Hochgeschwindigkeitsvernetzung und die wissenschaftliche Zusammenarbeit der drei gleichberechtigten Standorte werden vom BMBF von 2007 bis 2009 mit insgesamt 30 Millionen Euro gefördert. Sie sollen im internationalen Wettbewerb eine Spitzenposition einnehmen und eine zentrale Rolle im Aufbau eines europäischen Hochleistungsrechnerverbundes spielen. Weitere im Hochleistungsbereich tätige Rechenzentren sollen dazukommen.
Jedes der Zentren ist auf bestimmte wissenschaftliche Fragestellungen optimiert, die insgesamt eine breite Palette von Anwendungen abdecken. Sie reichen beispielsweise von der Materialwissenschaft über Automobilentwicklung, Flugzeugbau, Pharmaforschung bis zur Klimaforschung und Hochenergiephysik.
(BMBF, Bayerische Akademie der Wissenschaften, 24.07.2006 – DLO)