Es gibt mehr als ein Rezept, um Zwerggalaxien zu erzeugen, soviel ist bekannt. Doch über eine völlig neue Variante berichten NASA-Astronomen nun im Magazin „Nature“. Das Weltraumteleskop Galaxy Evolution Explorer hat zum ersten Mal beobachtet, wie sich eine Galaxie nur aus urzeitlichem Gas bildete – ohne Dunkle Materie, ohne Metalle oder andere Zutaten.
Unser lokales Universum enthält neben den beiden großen Galaxien, der Milchstraße und der Andromedagalaxie, mehr als 40 Zwerggalaxien. Diese nur wenige Milliarde Sterne umfassenden Ansammlungen kreisen meist um größere Galaxien. Ein Team von Astronomen der Johns Hopkins University unter Leitung von David Thilker, hat sich eine Region in der Konstellation Leo mit ebenfalls zwei großen, massereichen Galaxien, mithilfe des Galaxy Evolution Explorer Teleskops der NASA näher angesehen.
Zwerggalaxien ohne Dunkle Materie
Dabei stießen sie auf Überraschendes: Im so genannten Leo-Ring, einer gewaltigen Wolke aus Wasserstoff und Helium, die sich um zwei Galaxien windet, entdeckten sie junge Zwerggalaxien. Die Gaswolke gilt als ein Relikt aus der Urzeit des Universums, ein Materierest, der die Zeit seither relativ unverändert überstanden hat. Er ist mit Radiowellen sichtbar, im sichtbaren Licht jedoch nicht.
„Dieses faszinierende Objekt wird seit Jahrzehnten mit Weltklasseteleskopen in Radio- und optischen Wellenlängen beobachtet. Doch trotz dieser Bemühungen hatten wir bisher darin nichts als das Gas entdeckt. Keine Sterne, weder alt noch jung, wurden gefunden“, erklärt Thilker. „Aber als wir uns den Ring mit dem Galaxy Evolution Explorer ansahen, der besonders im UV-Bereich sensibel ist, fanden wir verräterische Hinweise auf eine kürzlich erfolgte umfangreiche Sternenbildung. Das war wirklich unerwartet. Wir waren Zeuge einer Galaxiebildung aus einer Wolke von ursprünglichem Gas.“
„Wir spekulieren, dass diese jungen stellaren Komplexe Zwerggalaxien sind, obwohl, wie zuvor von Radioastronomen gezeigt, den Gasklumpen dieser Galaxien jede Spur von Dunkler Materie fehlt“, so Thilker weiter. Dunkle Materie gilt normalerweise als unabdingbare Voraussetzung für die Galaxiebildung, gewissermaßen als Saat für Sterne, Gas und Staub. Doch im Leo-Ring fehlt diese.
Keine Ähnlichkeit zu Gezeitengalaxien
Es gibt allerdings einen bekannten Ausnahmefall, die so genannten Gezeitengalaxien. Sie kondensieren aus Gas, das aus anderen Galaxien stammt, damit quasi „recycelt“ ist. Es enthält dadurch bereits viele Metalle und schwerere Elemente und damit Bausteine der Sternenbildung. Dieses Gas wird von der Muttergalaxie und der in ihr befindlichen Dunklen Materie getrennt, wenn Galaxien kollidieren. Doch die neu entdeckten Leo-Galaxien passen nicht ins Bild.
Bildung aus „jungfräulichem“ Gas
„Die Zwerge des Leo-Rings bestehen aus sehr viel ursprünglicherem Material ohne Metalle”, so Thilker. Daher werten er und seine Kollegen diese Galaxien als eine völlig neue, bisher unbekannte Entstehungsform. Besonders interessant ist dies auch deshalb, weil solche großen, „jungfräulichen“ Gaswolken im frühen Universum vermutlich weitaus häufiger waren als heute. „Diese Entdeckung erlaubt es uns, die Sternenbildungsprozesse in einem Gas zu studieren, das noch nicht angereichert ist.“ Möglicherweise existieren im Kosmos noch zahlreiche weitere Zwerggalaxien dieses Typs, die bisher noch nicht als solche entdeckt oder identifiziert worden sind.
(Johns Hopkins University, 20.02.2009 – NPO)