Neue Atomsorte: Kernphysiker haben ein neues Isotop des Urans entdeckt – mit nur 122 Neutronen ist 214U der leichteste bisher bekannte Urankern. Spannend ist dieses im Labor erzeugte Uran-Isotop aber auch wegen einiger Auffälligkeiten in seinem Zerfallsverhalten. Sein besonders leichter Alphazerfall deutet auf ungewöhnlich starke Wechselwirkungen der Neutronen und Protonen in seinem Kern hin.
Das Element Uran gehört zu den schwersten natürlich gebildeten Atomen im Kosmos. Nur kosmische Explosionen wie eine Neutronensternkollision erzeugen ausreichend Energie, um diese Atomkerne aus 92 Protonen und 140 bis 146 Neutronen zu erschaffen – und selbst dann sind diese Atome nicht stabil. Alle vier natürlich vorkommenden Uran-Isotope sind radioaktiv und zerfallen im Laufe langer Zeiträume zu leichteren Elementen. Neben den vier natürlichen Isotopen des Urans wurden inzwischen 21 weitere, meist kurzlebige Isotope im Labor erzeugt.
Ein Uran mit nur 122 Neutronen
Jetzt kommt ein weiteres Uran-Isotop hinzu: Am Schwerionen-Forschungszentrum im chinesischen Lanzhou haben Kernphysiker das bislang leichteste bekannte Uran-Isotop erzeugt. Dafür beschossen Zhiyuan Zhang und sein Team Wolframplättchen mit stark beschleunigten Argon-Atomen. Bei Kollision der Atome entstehen über instabile Zwischenstufen unter anderem verschiedene Uranisotope.
Anhand der Zerfallsdaten stellten die Forscher fest, dass neben den schon bekannten leichten Uran-Isotopen 216U und 218U auch ein zuvor noch nie nachgewiesenes Isotop mit der Massenzahl 214 entstand. Dieses neue Uran-Isotop besitzt neben den 92 Protonen nur 122 Neutronen im Atomkern. Es ist damit das leichteste bisher bekannte Uran-Isotop, wie Zhang und sein Team berichten. Die Halbwertszeit des neuen 214U ist mit 0,5 Millisekunden sehr kurz.
Auffälligkeiten beim Alphazerfall
Interessant ist das neue Uran-Isotop aber noch aus einem anderen Grund: Bei den Messungen stellten die Wissenschaftler fest, dass 214U Auffälligkeiten im Alphazerfall zeigt. Bei dieser Zerfallsreaktion gibt ein radioaktiver Atomkern einen Heliumkern aus zwei Protonen und zwei Neutronen ab. Beim neuen Uran-Isotop werden diese Alphateilchen schneller und leichter frei als sie es kernphysikalischen Modellen nach eigentlich dürften.
Dahinter könnten noch kaum erforschte Wechselwirkungen zwischen den Kernbausteinen der Atome stecken. Schon länger vermuten Kernphysiker, dass der Kern sehr schwerer Elemente Unterstrukturen besitzt, bei denen auch immer wieder Heliumkerne knapp unter der Kernoberfläche entstehen – Klumpen von stärker miteinander wechselwirkenden Protonen und Neutronen.
Stärkere Wechselwirkung von Proton und Neutron
Das Zerfallsverhalten des neuen Uran-Isotops deutet nun darauf hin, dass bei ihm die Wechselwirkung zwischen jeweils einem Proton und Neutron dieser „Klumpen“ stärker ausgeprägt ist als bei den Isotopen anderer Elemente. Das liefert den Kernphysikern wertvolle Hinweise auf die Wechselwirkungen im Atomkern schwerer Elemente und die Prozesse, die den Zerfall dieser Atome antreiben.
„Das Verhalten der Isotope mit weniger als 126 Neutronen spricht dafür, dass diese starke Proton-Neutron-Interaktion eine entscheidende Rolle für den Alphazerfall spielt“, sagt Zhang. „Dieser Effekt könnte bei Plutonium-Isotopen sogar noch stärker sein. Es ist daher extrem spannend, diese Forschungen mit Atomkernen noch höherer Ordnungszahlen fortzusetzen.“ (Physical Review Letters, 2021; doi: 10.1103/PhysRevLett.126.152502)
Quelle: American Physical Society (APS), Chinese Academy of Sciences