Teilchenphysiker haben die Wandlungsfähigkeit von Neutrinos, elektrisch neutralen Elementarteilchen mit sehr kleiner Masse, nachgewiesen: Bei einem Experiment in Japan fanden sie zum ersten Mal stichhaltige Indizien dafür, dass sich so genannte Myon-Neutrinos in Elektron-Neutrinos verwandeln können.
Vor 80 Jahren postulierte der Physiker Wolfgang Pauli die Existenz eines neuen Elementarteilchens, des Neutrinos. Er schrieb, er sei „auf einen verzweifelten Ausweg verfallen … nämlich die Möglichkeit, es könnten elektrisch neutrale Teilchen … in den Kernen existieren“. Nach seiner Emigration in die USA begann Pauli diese Hypothese zu bereuen. Doch hier kann die moderne Physik Pauli beruhigen: Mit immer größeren Teilchendetektoren ist es gelungen die scheinbar nicht nachweisbaren Teilchen zu identifizieren.
Teilchendetektor in einer Zink-Mine
Einer dieser Teilchendetektoren ist Super-Kamiokande im Westen Japans. Super-Kamiokande ist ein Wassertank mit einem Durchmesser von 39 Metern und einer Höhe von 41 Metern. Er steht in einer Zink-Mine, tief unter einem Berg. Wird ein Neutrino im Wassertank eingefangen, strahlt dieses in charakteristischer Weise Licht ab, das von rund 11.000 Fotosensoren an den Wänden des Tanks nachgewiesen wird.
Forscher aus Japan und elf weiteren Ländern – darunter Wissenschaftler der RWTH Aachen – richteten in ihrer neuen Studie einen künstlichen Neutrinostrahl auf den Detektor. Dieser begann seine 295 Kilometer lange „Reise“ durch die Erde an der Ostküste Japans.
Naturkatastrophen stoppen Experimente
Das erste Ergebnis der Messungen brachte ein erstaunliches Ergebnis: Ein kleiner Teil der Neutrinos ändert nach Angaben der Wissenschaftler seine Identität auf dem Weg von der Erzeugung bis zur Messung. Es gibt drei Arten von Neutrinos: Elektron, Myon und Tau. Erzeugt wird ein Strahl vom Typ Myon. Neben vielen Myon-Neutrinos konnten die Teilchenphysiker erstmals auch Elektron-Neutrinos im Detektor nachweisen. Diese neuen Ergebnisse vervollständigen das Bild, das sich die Forscher von den Neutrinos machen.
Der Betrieb des Neutrinostrahls begann 2010 und wurde am 11. März 2011 durch die Naturkatastrophen in Japan jäh unterbrochen. Das Erdbeben und der nachfolgende Tsunami beschädigten unter anderem die Stromversorgung. Das jetzt veröffentlichte Ergebnis basiert auf Messungen vor der Katastrophe. Die Forscher hoffen auf eine zügige Reparatur und eine Wiederinbetriebnahme gegen Ende des Jahres. Sie wollen dann die beobachtete Umwandlung von Myon-Neutrinos in Elektron-Neutrinos im Detail untersuchen.
Materie und Antimaterie im Visier
Vielleicht, so hoffen sie, liegt hier die Erklärung, warum bei Vernichtung der Antimaterie im Universum Bruchteile von Sekunden nach dem Urknall nicht auch die Materie, aus der wir heute bestehen, vollständig ausgelöscht wurde.
(Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 17.06.2011 – DLO)