Im Jahr 2005 erhielt der Physiker Theodor Hänsch für den Laserfrequenzkamm, einem Messgerät für Lichtfrequenzen, den Nobelpreis. Jetzt sind Physiker noch einen Schritt weiter gegangen: Ihnen gelang die Erzeugung von Frequenzkämmen mit einem nur 75 Mikrometer großen Mikroresonator. Solche Frequenzkämme auf einem Mikrochip könnten Techniken der Zeitmessung und der Datenübertragung geradezu revolutionieren, wie sie in „Nature“ berichten.
Im Prinzip ist ein Frequenzkamm eine Art Lineal, mit dem sich unbekannte optische Frequenzen von Licht hochpräzise bestimmen lassen. In dem von Hänsch und Hall verfolgten Ansatz beruht seine Erzeugung auf einem Kopplungsprozess in Kurzpuls-Lasern. Dabei entsteht Laserlicht, das rund 100.000 sehr dicht benachbarte Spektrallinien enthält, deren Frequenzabstand immer gleich und extrem genau bekannt ist – dies ist der Grund für die Bezeichnung „Kamm“. Wenn man diesen Frequenzkamm mit einem anderen Laserstrahl überlagert, dann lässt sich aus der resultierenden Schwebung dessen Frequenz mit bis dato unerreichter Genauigkeit bestimmen. Ein Frequenzkamm dieser Art enthält viele optische Bauelemente und ist daher sehr aufwendig.
Laserstrahl im Nanodraht
Nun ist es der Max-Planck-Nachwuchsgruppe von Tobias Kippenberg in Zusammenarbeit mit Ronald Holzwarth von Menlo Systems gelungen, einen Frequenzkamm mit Hilfe einer winzigen Mikrostruktur zu erzeugen. Die Wissenschaftler verwenden in ihrem Experiment einen auf einem Silizium-Chip hergestellten torusförmigen Glas-Resonator mit einem Durchmesser von nur 75 Mikrometern, der am Lehrstuhl für Festkörperphysik der Ludwig-Maximilians- Universität München (LMU) hergestellt wird.
Kaskade ausgelöst durch zwei Photonen
Indem sie einen Laserstrahl in einem „Nano-Draht“ aus Glas dicht daran vorbeiführen, koppeln sie Licht in diese monolithische Struktur ein. Solche optischen Resonatoren können Licht relativ lange speichern. Dies kann zu extrem hohen Lichtintensitäten – sprich Photonendichten – führen, bei denen eine Fülle nichtlinearer Effekte auftreten. Und ein solcher nichtlinearer „Kerr-Effekt“ ist es, der die Entstehung eines Frequenzkamms ermöglicht:
In einem 4-Photonen-Prozess werden zwei Lichtquanten gleicher Energie in zwei Photonen umgewandelt, von denen das eine Lichtquant eine höhere, das andere eine niedrigere als die ursprüngliche Energie hat. Dabei können die neu erzeugten Photonen ihrerseits mit den ursprünglichen Lichtquanten interagieren und dabei wiederum neue Frequenzen erzeugen. Aus dieser Kaskade entsteht ein überraschend breites Spektrum von Frequenzen ganz ohne die Verstärkung durch ein aktives Lasermedium, die bei der herkömmlichen Methode notwendig ist.
„Interessanterweise fand sich in der Literatur kein Hinweis darauf, dass Frequenzkämme auf diese Weise erzeugt werken können“, konstatiert Pascal Del’Haye, Doktorand am Projekt. „Es handelt sich dabei um einen völlig neuen Entstehungsprozess, auf den wir fast zufällig gestoßen sind“, bekräftigt Kippenberg.
Das neue Verfahren ist aber nur dann tauglich, wenn der Abstand zwischen allen erzeugten Frequenzen immer exakt gleich ist und auf diese Weise – obschon die Mikroresonatoren selbst kein vollkommen äquidistantes Modenspektrum haben – ein perfekter Kamm erzeugt wird. In langwierigen Präzisionsmessungen verglichen Del’Haye und Albert Schließer in Kooperation mit Ronald Holzwarth das Spektrum des monolithisch erzeugten Frequenzkamms mit einem kommerziellen Kamm der Firma Menlo Systems. Dabei zeigten sie, dass die im Mikroresonator erzeugten Frequenzen tatsächlich äquidistant liegen.
Anwendung in der Telekommunikation
Der neuartige Frequenzkamm könnte in der Zukunft zur optischen Frequenzbestimmung verwendet werden und damit auch für die Konstruktion von Uhren mit extrem hoher Genauigkeit. Ein weiteres hochinteressantes Anwendungsfeld liegt in der optischen Telekommunikation: Während beim herkömmlichen Frequenzkamm die Linien extrem dicht liegen und recht lichtschwach sind, haben die rund 130 Spektrallinien des monolithischen Frequenzkamms einen Abstand ungefähr 400 Gigahertz und Leistungen in der Größenordnung von einem Milliwatt (0 dBm). Dies entspricht ziemlich genau den typischen Anforderungen für die „Träger“ der Datenkanäle in der faserbasierten optischen Telekommunikation.
Während bisher für jeden Frequenzkanal ein eigener Generator mit eigenem Laser erforderlich ist, würde es der neue Ansatz ermöglichen, mit einem einzigen Bauelement eine Vielzahl von Datenkanälen zu definieren.
Noch sind nicht alle Aspekte des Entstehungsprozesses verstanden, und auch an der Technik muss noch gefeilt werden, bevor der Frequenzkamm in der Praxis zum Einsatz kommen kann. Im Hinblick auf das hohe Anwendungspotential haben die Wissenschaftler ihre Entdeckung dennoch bereits weltweit zum Patent angemeldet.
Die aktuell in der Zeitschrift Nature vorgestellte Arbeit entstand im Rahmen des Exzellenz-Clusters „Nanosystems Initiative Munich“, dessen Ziel es ist, funktionale Nanostrukturen für Anwendungen in der Medizin und in der Informationsverarbeitung zu entwickeln, zu erforschen und zum Einsatz zu bringen.
(Max-Planck-Institut für Quantenoptik, 24.12.2007 – NPO)