Sturmfluten gehören zur Nordsee wie die Lawinen zu den Alpen. Immer wieder hat es Jahre gegeben, in denen sie häufiger und höher waren als sonst üblich – zum Teil mit verheerenden Folgen für Mensch und Natur. Inzwischen werden wir durch Deiche wirksam vor Sturmfluten geschützt. Doch können solche Jahrhundertfluten in Zukunft durch den Klimawandel für uns gefährlicher werden? Dies untersuchen seit einiger Zeit Wissenschaftler des GKSS-Forschungszentrums in Geesthacht.
„Am Institut für Küstenforschung haben wir mit numerischen Modellen berechnet, wie das Küstenklima bisher war und wie es sich künftig unter veränderten Treibhausgaskonzentrationen entwickeln könnte“, sagt die Wissenschaftlerin Dr. Insa Meinke, Leiterin des Norddeutschen Klimabüros am Institut für Küstenforschung des GKSS Forschungszentrum. Unzulänglichkeiten, die durch Messungen entstehen, wie beispielsweise zu kurze Messzeiträume, Veränderungen des Messumfeldes und Lückenhaftigkeit der Daten können so ausgeschaltet werden.
Aus den Modellrechungen leiten die Forscher anschließend Informationen über Stürme, Sturmfluten oder Seegang ab. Diese und andere Daten werden in einer Datenbank namens CoastDat gesammelt und sind für Forschungszwecke frei verfügbar. Im Norddeutschen Klimabüro werden die Informationen dann aufbereitet und an die Öffentlichkeit weiter gegeben.
„Wir stehen in engem Kontakt zu Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft. Neben dem Anliegen unsere Erkenntnisse aus der Klimaforschung transparenter zu machen, wollen wir die Klimaforschung stärker an den Informationsbedarf der Menschen anpassen“, erläutert Meinke.
Noch ist fast alles normal
Und sie hat erst einmal eine gute Nachricht parat: Nach den vorliegenden Ergebnissen spielt sich das Sturmflutgeschehen an der Nordsee bisher noch im normalen Bereich ab. Denn Stürme sind heute weder deutlich häufiger noch stärker als beispielsweise vor circa 100 Jahren. „Deshalb ist es für uns auch nicht überraschend, dass Sturmfluten ebenfalls nicht öfter oder höher auflaufen als in der Vergangenheit“, sagt Meinke.
Anders sieht es allerdings beim Meeresspiegelanstieg aus: Weltweit ist dieser im letzten Jahrhundert durchschnittlich um etwa 15 Zentimeter (cm) gestiegen. An der deutschen Nordseeküste waren es sogar rund 25 cm. Damit aber ist auch das Ausgangsniveau für Sturmfluten heute entsprechend höher als vor einigen Jahrzehnten. Folge: Die Grenzwerte, ab denen Wasserstände als Sturmfluten gelten, werden heute häufiger erreicht als früher. „Trotzdem ist bisher aber noch fast alles normal“, fasst Meinke die aktuelle Lage zusammen.
Stürmische Zukunft
Doch das wird in Zukunft vermutlich nicht so bleiben. Denn künftig wird sich der Klimawandel auch im Sturmflutgeschehen bemerkbar machen. Dies deuten zumindest die Simulationen des Küstenklimas in den nächsten 100 Jahren an. Danach werden beispielsweise die Stürme über der Nordsee bis zum Ende des 21. Jahrhunderts stärker.
Dies gilt insbesondere für den Wind aus West und Nord – also genau aus solchen Richtungen, aus denen Stürme die Wassermassen an die deutsche Nordseeküste drücken. Wie die Modellrechnungen zeigen, könnten Sturmfluten deshalb windbedingt in einigen Jahrzehnten etwa 10 bis 30 cm höher auflaufen als dies gegenwärtig der Fall ist.
Höher, häufiger, länger
Die GKSS-Wissenschaftler gehen zudem davon aus, dass der mittlere Meeresspiegel im gleichen Zeitraum weltweit um weitere 20 bis 60 cm zulegt. „In der Nordsee rechnen wir bis zum Ende dieses Jahrhunderts mit rund 50 cm mehr“, so Meinke. Liegen die Forscher mit ihren Simulationen richtig, werden Sturmfluten an der deutschen Nordseeküste bis zum Ende des 21. Jahrhunderts deshalb voraussichtlich insgesamt rund 60 bis 80 cm höher ausfallen als heute. Doch das ist noch nicht alles: „Wir erwarten darüberhinaus, dass solche hohen Wasserstände in Zukunft auch häufiger auftreten und länger andauern als bisher“, so die GKSS-Forscherin abschließend.
Links:
Institut für Küstenforschung am GKSS Forschungszentrum
(Dr. Insa Meinke, Norddeutsches Klimabüro, GKSS-Forschungszentrum Geesthacht, 18.04.2008 – DLO)