Erstaunliche Nachwirkung: Ob wir ein Portrait beim Online-Dating ansprechend finden oder nicht, hängt auch davon ab, was wir zuvor gesehen haben. Beim Klicken durch die Fotos kommt es auf die Reihenfolge an, wie Forscher berichten. Demnach bewerten wir Bilder eher dann als attraktiv, wenn schon das vorangegangene Portrait einen positiven Eindruck hinterlassen hat. Umgekehrt wirken sich weniger attraktive Fotos negativ auf das Urteil über das nachfolgende Bild aus.
Unser Gesicht spielt für die Reaktion unserer Mitmenschen eine wichtige Rolle, wie die Wissenschaft weiß: Politiker, die rein äußerlich attraktiv und kompetent aussehen, haben die Gunst der Wähler schon halb gewonnen. Feminine Gesichtszüge machen Politikerinnen erfolgreicher und wer eine glatte Haut hat, wird eher als seriös und kompetent eingeschätzt.
Online-Dating im Test
Ähnliches gilt für die Partnerwahl: Millionen Menschen sind jeden Tag auf Dating-Webseiten unterwegs. Beim Klicken und Scrollen durch einen fortwährenden Strom aus Profilfotos verfolgen sie alle dasselbe Ziel: einen möglichst attraktiven Kandidaten ausfindig zu machen. Oft bekommt dabei nur eine Chance, wer mit seinem Foto auf den ersten Blick überzeugen kann.
Doch wie verlässlich ist unser Urteil über ein Gesicht beim Online-Dating? Jessica Taubert von der Universität Sydney und ihre Kollegen haben dies nun genauer untersucht. Sie bildeten dafür jene Situation nach, die auf Dating-Plattformen wie Tinder Alltag ist: Man bekommt das Foto einer Person angezeigt und entscheidet im Bruchteil einer Sekunde über dessen Attraktivität.
Bewertung im Schnelldurchlauf
Im Experiment ließen sie weibliche Studenten jeweils 30 Fotos von Männern bewerten, die diese ursprünglich auf einer Datingseite gepostet hatten. Alle Gesichter wurden im Verlauf des Experiments zehnmal gezeigt, sodass die Probandinnen insgesamt 300 Entscheidungen treffen mussten. Jedes Foto tauchte für 300 Millisekunden auf und wurde dann durch ein weißes Kreuz ersetzt.
Die Frage lautete nun: Attraktiv oder nicht attraktiv? Hatten die Teilnehmerinnen das Gesicht bewertet, erschien das nächste Bild. In einem zweiten Durchgang sollten die Frauen jeweils die 15 attraktivsten Bilder aus einem bisher nur durch andere Probandinnen bewerteten Bildpool auswählen.
Unsere Entscheidungen sind nicht unabhängig
Dabei zeigte sich ein eindeutiges Muster: Die Frauen fanden die Gesichter immer dann attraktiv, wenn auch schon das Vorgängerbild positiv bewertet wurde. Umgekehrt hatte ein Gesicht schlechtere Karten, wenn die Probandin schon das zuvor gezeigte Foto unattraktiv fand. Ähnliches ergab die „Top-15“-Bewertung: Auch dabei erreichten die Portraits die höheren Ränge, die beim Auswahlverfahren nach einem ebenfalls positiv bewerteten Bild gezeigt wurden.
„Das zeigt, dass unsere Entscheidungen nicht unabhängig sind“, betonen Taubert und ihre Kollegen. Wie wir ein Gesicht bewerten, hängt von unseren vorhergehenden Eindrücken ab. Dahinter steckt wahrscheinlich ein psychologischer Effekt, der unser Sozialverhalten mit unseren Urteilen verknüpft. Was wir als attraktiv empfinden, wird demnach nicht nur von den Attributen des Gegenübers bestimmt, sondern auch vom Umfeld, von der Attraktivität der Menschen um uns herum.
Für das Online-Dating aber bedeutet dies: Bei der Suche nach einem attraktiven Partner ist es oft Liebe auf den zweiten Blick. „Unsere endgültige Entscheidung für einen begehrenswerten Partner fällt daher wahrscheinlich ein Gesicht zu spät“, so Taubert und ihre Kollegen. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep22740)
(Scientific Reports, 18.03.2016 – DAL/NPO)