Licht statt Elektronen: Forscher haben einen optischen Transistor entwickelt, der schon auf ein einzelnes Photon reagiert – in weniger als einer Pikosekunde. Das neue Bauteil kann dadurch bis zu 1.000-mal schneller schalten als gängige Transistoren und benötigt dafür weniger Energie, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“ berichten. Sie sehen in diesem Ein-Photon-Switch eine wertvolle Ergänzung für zukünftige rein photonische Datenverarbeitung und Kommunikation.
Bisher ist Silizium die Basis unserer digitalen Welt: Transistoren und andere Bauteile beruhen auf der Fähigkeit des Halbleiters, von Elektronen vermittelte Signale zu verstärken und zu schalten. Doch die zur Leistungssteigerung der Computer nötige Miniaturisierung stößt an ihre Grenzen. Deshalb arbeiten Forscher bereits an Alternativen, bei denen Photonen das Rechnen mit Elektronen ablösen sollen. Erste hybride und rein photonische Chips sind bereits in der Entwicklung.
Eine Billion Schaltoperationen pro Sekunde
Jetzt hat ein Forscherteam unter Leitung von IBM Research und dem Skolkovo Forschungszentrum in Moskau einen optischen Transistor entwickelt, der nicht nur ohne Kühlung bei Raumtemperatur funktioniert – er ist auch extrem sparsam und schnell. „Selbst mit minimaler Energie kann unser Switch in weniger als einer Pikosekunde zwischen 0 und 1 umschalten“, erklären die Wissenschaftler. „Das entspricht einer Billion Schaltoperationen pro Sekunde und ist mehr als hundertfach schneller als die schnellsten kommerziellen Schaltkreise der heutigen Computer.“
Das Neue daran: Anders als sein vom selben Forschungsteam entwickelter Vorgänger reichen diesem optischen Transistor schon wenige Photonen, um von einem Zustand in den anderen zu schalten. „In unserem Laboren haben wir das Umschalten schon mit nur einem Photon erzielt“, berichtet Erstautor Anton Zasedatelev vom Skolkovo Forschungszentrum. Dadurch benötigt das Bauteil extrem wenig Energie.
Zusätzlich zu seiner Funktion als Schalter kann der optische Transistor auch als Verstärker für optische Signale eingesetzt werden, wie das Team erklärt. Das Bauteil erhöht die Intensität eines einstrahlten Lasersignals um das bis zu 23.000-Fache.
Kopplung von Licht und Materie
Möglich wird dieser optische Transistor durch eine raffinierte Kopplung von Licht und Materie. Im Kern besteht er aus einer 35 Nanometer dünnen Schicht eines organischen Halbleiterpolymers, die zwischen zwei hochreflektiven Spiegeln liegt. Gelangt nun Licht in diese Mikrokavität, kommt es zu einer Kopplung zwischen Photonen und den im Halbleiter entstehenden Excitonen – virtuellen Teilchen aus einem Elektron und einem Elektronenloch.
Diese Kopplung von Licht und Materie wiederum erzeugt tausende von Exciton-Polaritonen, kurzlebigen Quasiteilchen, die die eigentlichen Akteure im optischen Transistor sind. Ihr Wechsel vom angeregten Zustand in den Grundzustand schaltet das Bauteil von 0 auf 1. Im „Aus“-Zustand erzeugt ein Pumplaser die Exciton-Polaritonen und hält sie im angeregten Zustand. Jetzt reichen wenige Photonen eines „Seed“-Lasers, um diese Quasiteilchen in einer Kaskade in den Grundzustand stürzen zu lassen – der Transistor schaltet auf 1.
Sparsames Umschalten
Durch gezielte Optimierung der Laserfrequenzen und des Polymerhalbleiters gelang es dem Team, dieses Umschalten extrem sparsam und schnell zu machen. „Weil wir nur eine Handvoll Photonen brauchen, erfordert das Schalten nur rund ein Attojoule an Energie“, erklärt Koautor Thilo Stöferle von IBM Research. „Die meisten modernen Transistoren brauchen Dutzende Attojoule pro Schaltvorgang, so dass das Ersetzen von Elektronen mit Licht den Stromverbrauch um das Zehnfache verringern könnte.“
„Noch ist aber einiges an Optimierung nötig, um den Gesamtenergiebedarf unseres Bauteils weiter zu senken“, räumen die Forscher ein. Denn beim Prototyp verursacht der Pumplaser bisher den Löwenanteil des Strombedarfs. Sie arbeiten aber bereits daran, auch diesen Aspekt ihres optischen Transistors weiter zu verbessern. „Eine Möglichkeit dafür wären Perowskit-Kristalle, die wir zurzeit mit Kollegen erforschen. Sie besitzen eine starke Licht-Materie-Kopplung, die zu einer starken kollektiven Quantenreaktion in Form der Superfluoreszenz führt“, sagt Stöferle.
Auslesen noch optimierbar
Ebenfalls noch verbessert werden muss das Auslesen des Transistors, wie Sebastian Klembt von der Universität Würzburg in einem begleitenden Kommentar in „Nature“ anmerkt. Denn je weniger Photonen für das Umschalten genutzt werden, desto schwächer und undeutlicher ist das Schaltsignal. Liegt die Trennschärfe zwischen 0 und 1 bei 60 Photonen noch bei 160 Prozent, sinkt sie bei zehn Lichtteilchen auf nur noch 60 und bei einem Photon auf nur elf Prozent.
„Die weiteren Arbeiten werden zeigen müssen, wie weit diese Methode optimiert werden kann“, schreibt Klembt. Dennoch sieht auch er in dem neuen optischen Transistor einen vielversprechenden Ansatz, um das noch junge Feld der nichtlinearen Optik und organischen Photonik voranzubringen. (Nature, 2021; doi: 10.1038/s41586-021-03866-9)
Quelle: IBM Research, Skolkovo Institute of Science and Technology (Skoltech)