Wissenschaftler haben erstmals einen Bipolartransistor vorgestellt, der auf einem organischen Halbleiter basiert und in der Lage ist, im Gigahertz-Bereich zu arbeiten. Sie nutzen dafür den Kohlenwasserstoff Rubren, der in seinem kristallinen Zustand ähnlich günstige Eigenschaften besitzt wie das sonst übliche Silizium, wie sie im Fachmagazin „Nature“ berichten. Die Entwickler sehen Anwendungsmöglichkeiten für ihre Technologie vor allem in medizinischen Bereich, wo die flexible Elektronik neue Möglichkeiten eröffnen könnte.
Transistoren gehören zu den wichtigsten Bauelementen der modernen Elektronik und kommen in nahezu allen elektronischen Schaltungen zum Einsatz. Die beiden häufigsten Bauformen werden als Feldeffekt- und Bipolartransistoren bezeichnet und unterscheiden sich durch die Art der Steuerung und die Einsatzgebiete. Während Feldeffekttransistoren bei starken Strömen zum Einsatz kommen und über die Spannung gesteuert werden, werden Bipolartransistoren über den Strom gesteuert. Ihr Anwendungsgebiet ist der Niedrigstrombereich, in dem auch höhere Taktfrequenzen erforderlich sind.
Organische Bipolartransistoren gesucht
Beide Bauarten basieren heutzutage im Regelfall auf dem Halbleiter Silizium. Durch diesen sind die Transistoren bis in den Nanometer-Bereich skalierbar, was eine größere Leistungsfähigkeit und dadurch eine enorm schnelle Verarbeitung von Daten ermöglicht. Ein Problem der verhältnismäßig starren Technologie ist jedoch, dass sie für flexible Bauelemente wie beispielsweise aufrollbare Displays oder für medizinische Anwendungen am oder im Körper eher ungeeignet ist.
Shu-Jen Wang und Michael Sawatzki von der Technischen Universität Dresden haben mit ihrem Team nun einen organischen Transistor vorgestellt, der diese Probleme lösen soll. „Eine große Herausforderung bei der Umsetzung eines organischen Bipolartransistors ist es, ein geeignetes Material und eine Konfiguration zu finden, die sowohl die nötige n- und p-Dotierung ermöglicht als auch eine genügende Mobilität der Ladungsträger, um Elektronen und korrespondierende Löcher in gewünschter Weise zu transportieren“, erklärt das Team.
Rubren als Halbleiter
Für ihren Transistor nutzten die Wissenschaftler das kohlenstoffbasierte Rubren. Dieser organische Halbleiter ist aus mehreren Ringen eines aromatischen Kohlenwasserstoffs aufgebaut und wird schon länger auch für organische Leuchtdioden eingesetzt. Seine Ladungsträger sind in der kristallinen Form des Rubrens besonders beweglich.
Für die Konstruktion des Transistors trugen die Forscher auf eine etwa 20 Nanometer hohe kristalline Grundschicht die unterschiedlich dotierten und für die Funktion des Transistors nötigen Rubren-Schichten auf. Diese zwischen 100 und 300 Nanometer dicken Schichten orientieren sich in ihrer Struktur an der hohen Ordnung der kristallinen Grundschicht. Als Emitter und Kollektor dienten Goldelektroden, die Basis bildete eine Aluminium-Elektrode.
1,6 Gigahertz sind möglich
„Die erste Realisierung des organischen Bipolartransistors war eine große Herausforderung, da wir Schichten von sehr hoher Qualität und neuartige Strukturen realisieren mussten. Die exzellenten Parameter des Bauelements belohnen jedoch diese Mühen“, sagt Wang. Ihre Konfiguration ermöglichte eine hohe Ladungsträger-Geschwindigkeit des gesamten Transistors.
Wie Tests ergaben, erreichte der Bipolartransistor eine hohe Transitfrequenz, die als Maß für die Geschwindigkeit des Bauteils genommen werden kann. Bisherige Modelle auf organischer Basis wurden nur als Feldeffekttransistoren umgesetzt und besaßen eine Transitfrequenz von 40 bis 160 Megahertz. Dem neuen Bipolartransistor der Dresdner Forscher wird dahingegen eine Frequenz von bis zu 1,6 Gigahertz zugesprochen.
„Neue Perspektiven für die organische Elektronik“
„Wir haben 20 Jahre über dieses Bauelement nachgedacht, und ich bin begeistert, dass wir es nun demonstrieren konnten. Mit dem organischen Bipolartransistor und seinem Potenzial eröffnen sich völlig neue Perspektiven für die organische Elektronik“, sagt Karl Leo, ebenfalls von der Technischen Universität und Seniorautor der Studie.
Als mögliches Anwendungsgebiet sehen die Forscher beispielsweise intelligente Pflaster, die über Sensoren Gesundheitsdaten aufnehmen, lokal verarbeiten und drahtlos weitergeben können. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-04837-4)
Quelle: Technische Universität Dresden