Um möglichst schnell von Berlin nach Prag, Wien oder Budapest zu reisen, gibt es zurzeit keine ernst zu nehmende Alternative zum Flugzeug, denn das Reisen mit dem Zug auf internationalen Verbindungen im Osten der EU ist derzeit leider nicht konkurrenzfähig. Dies könnte sich mit einer Bahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke mit Endpunkten in der deutschen und ungarischen Hauptstadt ändern.
In einer vom Sächsischen Ministerium des Innern in Auftrag gegebenen Studie über diese mögliche rund 900 Kilometer lange Verbindung – ein Teilstück des Paneuropäischen Korridors IV von Dresden nach Istanbul – empfiehlt Wolfgang Fengler, Professor für Gestaltung von Bahnanlagen an der TU Dresden, den Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke mit dem Transrapid als ernstzunehmende Alternative zum konventionellen Hochgeschwindigkeitsverkehr der Eisenbahn. Die mögliche Strecke verbindet inklusive Berlin sieben Ballungszentren auf einer historisch bedeutsamen europäischen Nord-Süd-Achse (Berlin, Dresden, Prag, Brünn, Wien, Bratislava, Budapest), deren Wiederbelebung das Ziel verfolgt, die verkehrlichen Voraussetzungen für die Entwicklung eines neuen europäischen Kernraums zu schaffen.
Geschwindigkeit sichert Marktanteile
Je höher ihre Reisegeschwindigkeit, desto größer ist der Marktanteil von Verkehrsmitteln. Ein Hochgeschwindigkeitszug legt im Durchschnitt knapp 200 Kilometer pro Stunde (km/h) zurück, bei Spitzenwerten von 300 bis 350 km/h. Der Transrapid hingegen erreicht bei einer Höchstgeschwindigkeit von 450 bis 500 km/h eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von knapp 300 km/h. Aufgrund der geringen Schall- und Erschütterungsemissionen kann der Transrapid auch Stadtein- und -ausfahrten mit bis zu 250 km/h erheblich schneller als die Eisenbahn passieren.
Von Dresden nach Berlin bräuchte der Transrapid mit Halt im Berliner Flughafen 41 Minuten, der ICE 69. Die Strecke Berlin – Budapest und zurück könnte im Transrapid mit einer Fahrtzeit von zweimal 3,20 Stunden problemlos an einem Tag als Geschäftsreise zurückgelegt werden, bei der Hochgeschwindigkeitseisenbahn reicht es mit demselben Zeitbudget nur für eine Reise von Prag nach Budapest und zurück. Die Magnetbahn könnte damit nach den Ergebnissen der Studie selbst bis circa 1.000 Kilometer Entfernung, von Hautür zu Haustür gerechnet, eine Konkurrenz für das Flugzeug werden. Außerdem ist sie – ebenso wie der ICE – nicht auf erdölgebundene Energie angewiesen und produziert keine Abgase, wodurch die Umwelt weniger belastet wird.
Technologievorsprung sichern
Die Magnetbahn besitzt in bergigem Gelände eine enorme Steigfähigkeit, so dass die Tunnel über das Erzgebirge insgesamt nur halb so lang wären wie für die Eisenbahn. Der Technologievorsprung in Magnetschwebetechnik, der sich für die Europäer mit dem Bau einer längeren Transrapidstrecke bewahren ließe, ist ein weiterer Gesichtspunkt, der aus Sicht der Verkehrswissenschaftler nicht ganz außer Acht gelassen werden sollte.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht schneiden Eisenbahn und Transrapid mittelfristig etwa gleich ab. Zwar ist der Streckenbau für den Transrapid pro Streckenkilometer heute noch um etwa 30 bis 50 Prozent teurer, aber nach etwa 40 bis 50 Jahren Betrieb ist die Bilanz wieder ausgeglichen, denn die schnellere Magnetbahn braucht weniger Fahrzeuge, verursacht weniger Betriebskosten und hat durch ihre berührungsfreie Technik auch den geringeren Verschleiß. Außerdem wären bei einer Verbreitung des Systems wegen des zunehmenden Wettbewerbs der Anbieter Kostenreduktionen zu erwarten.
Sollte die Strecke tatsächlich gebaut werden, braucht man erfahrungsgemäß mindestens 20 Jahre, um ein derartiges Projekt zu realisieren: Viele politische Entscheidungen müssten getroffen und unzählige Interessen berücksichtigt werden. Hinzu kommen die Planungs- und Bauzeit. Fengler meint allerdings: "Es wäre zwar eine straffe Zielstellung, aber wenn alle Genehmigungen vorlägen und die Finanzierung klar ist, könnte man den reinen Bau der Strecke in zehn Jahren schaffen".
(idw – Technische Universität Dresden, 19.09.2006 – DLO)