
Blick in den Detektortank des Sudbury Neutrino Observatoriums. © Ernest Orlando/ Lawrence Berkeley National Laboratory / SNO
Entdeckung am Sudbury Observatorium
Das Problem der fehlenden Sonnen-Neutrinos lösten Arthur McDonald und sein Team vom Sudbury Neutrino Observatory (SNO) im kanadischen Bundesstaat Ontario im Jahr 2001.Der Detektor besteht aus einem 2.000 Meter tief unter der Erdoberfläche liegenden Tank mit schwerem Wasser. Trifft ein Neutrino auf eines dieser Deuterium-Atome, wird ein Elektron frei, das eine bläuliche Leuchtspur hinterlässt, die sogenannte Tscherenkow-Strahlung.
Auch dieser Detektor registriert zunächst einen Mangel an Sonnen-Neutrinos. Statt der erwarteten zehn Elektron-Neutrinos pro Tag registrierte er nur drei. Aber da ist noch etwas: Das Sudbury Neutrino Observatory registriert gleichzeitig auch Hinweise darauf, dass Neutrinos der anderen beiden Typen eintreffen – und insgesamt stimmt ihre Zahl verblüffend genau mit dem von der Sonne erwartetem Einstrom überein.
Nach Ansicht von McDonald und seinen Kollegen lässt dies nur einen Schluss zu: „Wir gehen davon aus, dass die Diskrepanz durch Veränderungen in den Neutrinos selbst ausgelöst wird“, erklärt Arthur McDonald, Projektleiter vom SNO, im Juni 2001 die Ergebnisse. Offenbar, so sind sich die Forscher einig, wechseln die Sonnen-Neutrinos auf ihrem Weg zur Erde ihre Identität. Aus einigen Elektron-Neutrinos werden Myon- oder Tau-Neutrinos.
„Fehlende“ Neutrinos auf in Japan
Zur gleichen Zeit sind auch Takaaki Kajita und sein Team vom Neutrino-Detektor Super-Kamiokande in Japan auf der Spur dieser Chamäleons unter den Elementarteilchen. Dieser Detektor steht ebenfalls rund 1.000 Meter unter der Erdoberfläche und misst eintreffende Neutrinos anhand ihrer Leuchtspuren. Dabei registriert er vor allem Myon-Neutrinos der kosmischen Strahlung, die sowohl von oben als auch von unten nach einer Passage durch die Erde in den Tank treffen.

Signalspuren aus dem japanischen Neutrinodetektor Super-Kamiokande © Tomasz Barszczak
Das Seltsame daran: Weil die Erde für die Neutrinos kein Hindernis darstellt, müsste der Detektor eigentlich genauso viele von oben wie von unten eintreffenden Teilchen registrierten – doch das tut er nicht. Und auch hier lieferte die Neutrino-Oszillation eine Erklärung: Weil der Weg der Neutrinos durch den Erdball länger ist, haben sie mehr Zeit, um ihre Identität im Flug zu ändern.
Zusammen lieferten die Ergebnisse vom Super-Kamiokande in Japan und dem Sudbury Observatorium in Kanada den endgültigen Beweis: Neutrinos können im Flug ihre Identität ändern und zwischen den drei Typen oszillieren. Kajita und McDonald als Leiter ihrer jeweiligen Forschungsgruppen erhalten nun hierfür den Physik-Nobelpreis. Inzwischen hat der Neutrino-Detektor in Gran Sasso auch die Umwandlung von Myon- zu Tau-Neutrinos belegt, 2013 gelang der Nachweis des Wechsels von Myon- zu Elektron-Neutrinos.
Erklärung für die Masse der Neutrinos
Die Entdeckung der drei Neutrino-Geschmäcker und ihrer Oszillation ist entscheidend wichtig auch für die Frage, woher die Neutrinos ihre Masse bekommen. Denn nach dem Standardmodell dürften diese Elementarteilchen eigentlich keine Masse besitzen. Doch die Oszillation macht es möglich:
Ähnlich wie weißes Licht aus Anteilen unterschiedlich farbiger Wellenlängen besteht, so ist jedes Neutrino eine Mischung aus drei verschiedenen Massen – schwer vorstellbar, aber physikalisch möglich. Im Laufe der Zeit verändert sich der Anteil dieser Massen und dies löst, so die Theorie der Physiker, den Wechsel der Identitäten beim Neutrino aus.
(nobelprize.org, 06.10.2015 – NPO)
6. Oktober 2015