Kältemaschine im Quantenmaßstab: Physiker haben ein Konzept entwickelt, durch das Atomwolken und andere Quantensysteme weiter heruntergekühlt werden könnten. Möglich wird dies durch die Kombination eines ultrakalten Bose-Einstein-Kondensats mit Prinzipien der klassischen Thermodynamik, wie sie beispielsweise in einem Kühlschrank greifen. Noch gibt es für den Quantenkühlschrank zwar nur die Bauanleitung, deren Umsetzung könnte aber bahnbrechende Anwendungen ermöglichen.
Wenn es um das Herunterkühlen von Atomwolken, Quantenbits oder anderen Teilchen für quantenphysikalische Anwendungen geht, ist bisher meist eine Laserkühlung im Spiel. Ihre Lichtstrahlen bremsen die Eigenbewegung der Teilchen so weit ab, dass diese fast stillstehen. Dadurch können Systeme bis knapp über den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden. In einem der bisherigen Rekorde blieb bei einem Mikroresonator weniger als ein Quant Energie übrig.
Doch so gängig und effektiv die Laserkühlung und andere etablierte Kühlsysteme sind – auch sie stoßen an Grenzen. Eine neuartige Methode, Quantensysteme über diese Limits hinausabzukühlen, könnten nun Marek Gluza von der Freien Universität Berlin und seine Kollegen entdeckt haben.
Nach dem thermodynamischen Prinzip des Kühlschranks
Ihr auf den ersten Blick simpel erscheinender Ansatz: Sie übertragen das Prinzip eines Kühlschranks auf die Quantenwelt. Bei diesem erfolgt die Kühlung durch ein Kühlmittel, das im Innenraum verdampft und diesem dadurch Wärme entzieht. Über Pumpen wird das nun gasförmige Kühlmittel dann in den Kompressor gesaugt, der es zusammenpresst und so wieder auskondensieren lässt. Die freigesetzte Wärme wird an der Kühlschrankrückseite an die Umgebung abgegeben. Im Prinzip funktioniert der Kühlschrank damit wie eine Wärmemaschine.
Doch wie lässt sich dies in die Quantenwelt übertragen? „Wenn man eine Quanten-Wärmemaschine bauen will, muss man zwei Anforderungen erfüllen, die einander grundsätzlich widersprechen“, erklärt Koautor Marcus Huber von der TU Wien. „Es muss sich um ein System handeln, das aus vielen Teilchen besteht und in dem man nicht jedes Detail genau kontrollieren kann. Sonst kann man nicht von Wärme sprechen. Gleichzeitig muss das System einfach genug und hinreichend präzise kontrollierbar sein, um Quanteneffekte nicht zu zerstören.“
Bose-Einstein-Kondensat als Basis
Um dies zu vereinbaren, nutzt das Team ein Bose-Einstein-Kondensat – einen ultrakalten Materiezustand, in dem sich die Quantenzustände der Atome so angleichen, dass sie über eine gemeinsame Wellenfunktion beschrieben werden können. Im Prinzip verhalten sich die Teilchen des Kondensats dadurch wie ein Riesenatom oder eine Materiewelle. Für den Quantenkühlschrank wird diese ultrakalte Atomwolke durch Laserfelder manipuliert und kontrolliert.
Konkret wird das Bose-Einstein-Kondensat für das Kühlsystem in drei Teile geteilt – einer fungiert als Wärmebad, der mittlere als Kolben und der dritte ist das zu kühlende Teilsystem. Alle drei haben anfangs dieselbe Temperatur. Jetzt wird der mittlere Teil komprimiert, während er mit dem Wärmebad verbunden ist. Dabei gibt der „Kolben“ einen Teil der freiwerdenden Wärmeenergie an das „Bad“ ab.
Umverteilung von Wärmeenergie in Form von Phononen
Im nächsten Schritt wird komprimierte Kolben vom Wärmebad getrennt, mit dem dritten Teil verbunden und wieder ausgedehnt. Wie beim Verdampfer im Kühlschrank entzieht diese Dekompression nun dem Partner-System Energie. Im Falle des Kondensats hat diese Energie allerdings die Form von Phononen, Anregungszuständen von Teilchen, die zwischen den Teilsystemen wechseln. „Diese Anregungen übernehmen bei uns die Rolle des Kühlmittels“, erklärt Huber.
Durch wiederholte Wechsel von Koppelung und Trennung der Teilsysteme lassen sich die Phononen so beeinflussen, dass die Wärmeenergie von einer Seite des Kondensats zur anderen wandert. „Dadurch hat dann am Ende eines der drei Teilsysteme eine niedrigere Temperatur als am Anfang“, so Huber. Anders als beim Kühlschrank sorgen allerdings Quantenfluktuationen dafür, dass die Phononen auch gegen das Energiegefälle überspringen können. „Man muss also sehr genau kontrollieren, wann welche Teilsysteme miteinander verbunden sein sollen und wann nicht“, erklärt der Physiker.
Auf dem Weg zur Quanten-Wärmemaschine
„Eine solche Quantenfeld-Maschine wäre, einmal experimentell umgesetzt, eine echte Quanten-Wärmemaschine“, konstatieren Gluza und seine Kollegen. Sollte dies gelingen, wäre dies ein großer Fortschritt in der Tieftemperaturphysik. Denn egal, mit welchen anderen Methoden man extrem tiefe Temperaturen erreicht – den Quantenkühlschrank könnte man am Ende immer noch als finale Zusatz-Kühlstufe hinzufügen, um einen Teil des ultrakalten Systems noch ein bisschen kälter zu machen.
Bis aus diesem neuen Kühlkonzept ein echter Quantenkühlschrank entsteht, ist allerdings noch einiges an Arbeit nötig. Aber erste Experimente zeigen bereits, dass die dafür nötigen Schritte prinzipiell möglich sind. „Nachdem wir nun wissen, dass die Idee grundsätzlich funktioniert, werden wir versuchen, das im Labor umzusetzen“, sagt Koautor Joao Sabino von der TU Wien. „Wir hoffen, dass uns das in naher Zukunft gelingt.“ (Physical Review X Quantum, 2021; doi: 10.1103/PRXQuantum.2.030310)
Quelle: Technische Universität Wien