Physik

Physiker entwickeln weltweit dünnsten Röntgendetektor

Ultradünne Zinnmonosulfid-Schicht reagiert stärker und schneller als gängige Detektoren

Labor
Eine ultradünne Schicht aus Zinnmonosulfid (links) kann weiche Röntgenstrahlen absorbieren und anzeigen. © Exciton Science/ The University of Melbourne

Weltrekord: Forschern ist es gelungen, den weltweit dünsten Detektor für Röntgenstrahlung zu entwickeln. Er besteht aus einer nur zehn Nanometer dicken Schicht Zinnmonosulfid, einem Material, das Röntgenphotonen besonders gut und schnell absorbieren kann. Weil dieser Detektor auf weiche, vor allem für biologische Proben geeignete Röntgenstrahlung reagiert, könnte er sich gut für biomedizinische und zellbiologische Untersuchungen eignen, wie das Team berichtet.

Röntgenstrahlung ist heute ein nahezu unverzichtbarer Helfer von Wissenschaft und Medizin. Die kurzwellige Strahlung wird nicht nur eingesetzt, um den Körper zu durchleuchten oder Materialien zu prüfen. Mithilfe der fokussierten und kohärenten Pulse von Röntgenlasern können Forscher inzwischen sogar ultraschnelle Prozesse wie die Bildung einer chemischen Bindung einfangen. Weiche Röntgenstrahlung mit Energien im Bereich von 0,1 bis 10 Kiloelektronenvolt kann zudem selbst sensible biologische Proben durchleuchten ohne sie zu zerstören.

Die meisten Detektoren für weiche Röntgenstrahlen sind Szintillatoren – Materialien, deren Atome von den Röntgenstrahlung angeregt werden und die daraufhin Photonen im sichtbaren Wellenbereich abgeben. Diese Detektoren sind allerdings relativ sperrig, aufwendig herzustellen und reagieren mit Verzögerung auf die Röntgenstrahlung. Für eine schnelle Bildgebung und kleine, mobile Scanner sind sie daher wenig geeignet.

Direkte Reaktion auf Röntgenstrahlung

Eine Alternative haben nun Forscher um Babar Shabbir von der australischen Monash University entwickelt. Auf der Suche nach Materialien, die sich als direkte Röntgendetektoren eignen, stießen sie auf Zinnmonosulfid (SnS). Dieser Halbleiter gilt wegen seiner gut einstellbaren Bandlücke und hohen Lichtabsorption bereits als vielversprechender Kandidat für Transistoren, die Photokatalyse und die Photovoltaik, wie das Team erklärt.

Doch wie die Forscher feststellten, eignet sich das Zinnmonosulfid auch als schneller und guter Detektor für weiche Röntgenstrahlung. Die Absorption der Röntgenphotonen bewirkt eine Veränderung des Elektronenflusses im Material und erzeugt so ein gut lokalisierbares elektronisches Signal. Je dünner die Schicht ist, desto besser reagiert sie dabei auf Röntgenstrahlung im niederenergetischen Bereich.

Deshalb entwickelten Shabbir und sein Team für ihr Experiment eine Methode, um ultradünne, nur zehn Nanometer dicke Zinnmonosulfid-Schichten herzustellen. Diese verbanden sie mit Goldelektroden und testeten anschließend ihre Röntgenabsorption.

Besonders sensitiv im „Wasserfenster“

Das Ergebnis: „Der SnS-basierte Röntgendetektor zeigte eine differenzierte Reaktion auf Photonenenergien mit einem Peak bei 600 Elektronenvolt“, berichten die Physiker. Damit hat der Detektor sein Sensitivitäts-Maximum genau im sogenannten Wasserfenster – dem Bereich, in dem Wasser und wässrige Lösungen für Röntgenstrahlung transparent sind und der daher für biologische Proben besonders wichtig ist.

„Die starken, energieabhängigen und gut unterscheidbaren Signale im Wasserfenster repräsentieren eine bedeutende Verbesserung gegenüber anderen direkten Detektoren für weiche Röntgenstrahlung“, sagen Shabbir und seine Kollegen. Die Sensitivität des Zinnmonosulfids sei um eine Größenordnung höher als beispielsweise bei Metallhalid-Perowskiten, die ebenfalls Röntgenstrahlung direkt detektieren können.

Nahezu in Echtzeit

Ein weiterer Vorteil: „Die Zinnmonosulfid-Nanoschichten reagieren innerhalb von Millisekunden“, sagt Shabbirs Kollege Jacek Jasieniak. „Man kann etwas scannen und bekommt nahezu instantan das Röntgenbild. Angesichts der hohen Sensitivität und hohen zeitlichen Auflösung könnte man damit Prozesse fast in Echtzeit abbilden.“ Damit wäre es theoretisch möglich, Zellen oder Proteine sogar in Bewegung einzufangen – quasi als Röntgenfilm, wie der Forscher erklärt.

Noch allerdings sind die Nanoschichten des Zinnmonosulfids zu klein, um ganze Röntgenbilder zu produzieren. „Noch haben wir kein Bildsystem“, sagt Shabbir. „Um dies kommerzialisieren zu können, müssen wir erst ein Gerät mit vielen Pixeln entwickeln und testen. Aber wir haben jetzt schon mal einen Prototyp und eine Ausgangsplattform dafür.“ Die Forscher hoffen daher, schon bald auch größere Schichten dieses Materials erzeugen zu können.

„Dies wird neue Wege eröffnen, um die nächste Generation von hochempfindlichen Röntgendetektoren auf Basis ultradünner Materialien zu entwickeln“, konstatieren sie. Schon jetzt ist ihr Zinnmonosulfid-Detektor aber der dünnste je erzeugte Röntgensensor weltweit. (Advanced Functional Materials, 2021; doi: 10.1002/adfm.202105038)

Quelle: ARC Centre of Excellence in Exciton Science

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