Physik

Physiker erzeugen „negative Masse“

Atome bewegen sich beim Schubsen entgegengesetzt der normalen Masse

Forscher haben Atomene in einem Bose-Einstein-Kondensat eine negative effektive Masse verliehen. © agsandrew/ iStock.com

Verkehrte Welt: Forscher haben eine ultrakalte Atomgruppe mit negativer effektiver Masse erzeugt. Dadurch reagieren die Atome auf einen Impuls genau umgekehrt wie normalerweise: Ein Schubs bewegt sie auf den Impuls zu statt von ihm weg. Möglich wurde dies durch gezielte Manipulation des Bose-Einstein-Kondensats mit Lasern, wie die Forscher berichten.

Im Alltag und in der klassischen Physik ist Masse eigentlich immer positiv: Objekte „wiegen“ etwas und sind der Schwerkraft unterworfen – sie werden von der Gravitation angezogen. Erhält ein Gegenstand einen Schubs, beschleunigt ihn dieser in die Richtung, in die er geschubst wurde – so weit, so normal.

Doch es geht auch anders: In der Welt der Quantenphysik ist eine negative effektive Masse durchaus möglich – nicht anders als eine negative elektrische Ladung. Forscher vermuten, dass sie unter extremen Bedingungen auch natürlicherweise vorkommt, beispielsweise in Neutronensternen und Schwarzen Löchern oder vielleicht sogar bei der rätselhaften Dunklen Energie.

„Durchgeschütteltes“ Bose-Einstein-Kondensat

Jetzt haben Peter Engels von der Washington State University und seine Kollegen Atomen im Labor eine negative effektive Masse verliehen. Dafür kühlten sie eine Gruppe von Rubidium-Atomen mit Hilfe von Lasern auf wenige Bruchteile eines Grads über dem absoluten Nullpunkt ab. Unter diesen Bedingungen bilden die Atome ein Bose-Einstein-Kondensat: Sie verhalten sich wie ein einziges Teilchen oder wie eine Materiewelle und bewegen sich synchron.

Dieses Bose-Einstein-Kondensat besitzt zunächst eine ganz normale – positive – Masse. Würde man sie aus ihrer Laserfalle entlassen, würden sie nach außen hinausströmen, wie Wasser aus einer zerbrochenen Schale, so die Erklärung der Forscher. Um nun negative Masse zu erzeugen, setzen die Wissenschaftler einen zweiten Satz Laser ein. Diese „schüttelten“ die Atome schnell hin und her und änderten ihren Spin.

„Wie gegen eine unsichtbare Mauer“

Durch den Effekt der sogenannten Spin-Bahn-Kopplung verhielten sich die Rubidium-Atome des Kondensats nun so als hätten sie eine negative Masse. Statt sich beim Aufbrechen der Falle auszubreiten, bewegten sie sich nun rückwärts. „Wenn wir sie schubsen, beschleunigen sie rückwärts“., berichtet Koautor Michael Forbes von der Washington State University. „Es sieht aus, als wenn das Rubidium gegen eine unsichtbare Mauer stoßen würde.“

„Mit unserer Methode haben wir zum ersten Mal eine echte Kontrolle über die Natur dieser negativen Masse, ohne die sonst üblichen Komplikationen“, erklärt Forbes. Gleichzeitig bestätigen der Versuch und die dabei gemachten Messungen zuvor gemachte Beobachtungen zum Verhalten von Atome unter solchen Bedingungen. „Unser Ansatz liefert uns eine weitere Möglichkeit, dieses fundamentale und sehr seltsame Phänomen zu untersuchen“, so der Forscher. (Physical Review Letters, 2017; doi: 10.1103/PhysRevLett.118.155301)

(Washington State University, 18.04.2017 – NPO)

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