Exotischer Atomkern: Forscher haben erstmals in einem Atomkern zwei Protonen mit einem exotischen Meson gekoppelt – einem kurzlebigen Teilchen aus einem Quark und einem Antiquark. Diese Bindung wurde zwar theoretisch vorhergesagt, konnte aber zuvor nie experimentell nachgewiesen werden. Erst durch den Beschuss von Helium-3 mit energiereichen K-Mesonen gelang es nun, eine solche Meson-Bindung im Atomkern zu erzeugen.
Mesonen sind die instabilen „Geschwister“ der normalen Kernteilchen wie Protonen und Neutronen. Denn statt aus verschiedenen Quarks bestehen sie aus einem Quark und einem Antiquark. Als Folge löschen sie sich schon Sekundenbruchteile nach ihrem Entstehen selbst aus. Doch es gibt eine Sorte von Mesonen, die etwas länger überleben: Kaonen, auch als K-Mesonen bezeichnet. Diese Teilchen enthalten neben einem Up- oder Down-Quark immer auch ein Strange-Quark oder dessen Antiteilchen.
Verborgene Wechselwirkung im Atomkern
Das Spannende an den Mesonen: Der Theorie nach können diese kurzlebigen Teilchen im Atomkern spontan entstehen und wieder verschwinden – und dabei sogar für kurze Zeit eine Art Bindung mit den Kernbausteinen eingehen. Sollte es diese verborgene Wechselwirkung tatsächlich geben, könnte ihre Erforschung wertvolle Einblicke in die starke Kernkraft und deren Kraftteilchen, die Gluonen, geben.
„Deshalb wurden während der letzten 100 Jahre schon viele Mesonen untersucht, um zu sehen, ob ein solcher mesonischer Bindungszustand existiert“, erklären Masahiko Iwasaki vom RIKEN-Forschungszentrum in Japan und seine Kollegen. Bisher allerdings vergeblich. Deshalb haben sich die Forscher nun die K-Mesonen vorgenommen. Weil diese ein wenig länger halten als andere Mesonen, könnten sie für diese Bindung am ehesten in Frage kommen. Zudem existieren negativ geladene K-Mesonen, die demnach gut an Protonen binden könnten.
Aus Helium-3 wird ein ganz neuer Kernzustand
Für ihr Experiment nutzten die Physiker Helium-3 als Ausgangsmaterial – ein Isotop des Heliums aus zwei Protonen und einem Neutron im Atomkern. Dieses Ziel beschossen sie mit einem energiereichen Strahl aus negativ geladenen K-Mesonen. Dieser Teilchenstrahl schlug das Neutron aus den Heliumkernen heraus und bremste durch den Rückstoß einige Kaonen stark ab. Das erlaubte es, dass bei einigen Atomkernen ein Kaon an die Stelle des Neutrons trat.
Das Entscheidende aber: Aus den Zerfallsdaten dieses Experiments schließen die Forscher, dass sich dabei eine vorübergehende Bindung zwischen den beiden Protonen im Heliumkern und einem K-Meson bildete. „Die einfachste und naheliegendste Interpretation der Ergebnisse ist ein mesonischer Bindungszustand – ein System, das aus einem negativen K-Meson und zwei Protonen besteht“, so Iwasaki und seine Kollegen. „Dabei ist das K-Meson energetisch durch die Präsenz der beiden Protonen stabilisiert.“
Neuer Blick auf Atomkerne und starke Kernkraft
Sollte sich das bestätigen, dann hätten die Forscher erstmals ein exotisches Teilchen aus zwei Kernbausteinen und einem Meson erzeugt – eine ganz neue Zustandsform der Materie. „Das Wichtige an dieser Arbeit ist, dass wir damit nachweisen, dass Mesonen in Kernmaterie als echte Teilchen existieren können“, sagt Masahiko Iwasaki vom RIKEN-Forschungszentrum. „Das eröffnet eine ganz neue Art, Atomkerne zu betrachten und zu verstehen.“
Denn wie die Forscher erklären, liefern diese exotischen Teilchen wertvolle Einblicke in den Ursprung der Masse von Atomkernen, könnte aber auch verraten, wie die exotische Materie im Zentrum von Neutronensternen beschaffen ist. Als nächstes wollen Iwasaki und sein Team nun versuchen, solche Meson-Bindungen auch mit schwereren Atomkernen als Helium zu erzeugen. (Physics Letters B, 2019; doi: 10.1016/j.physletb.2018.12.058)
Quelle: RIKEN