Materialforschung

Physiker erzeugen neues 2D-Material

Einlagige Schicht aus Beryllium und Stickstoff zeigt ungewöhnliche elektronische Eigenschaften

Beryllonitren
Das zweidimensionale Material Beryllonitren bildet ein Gitter aus Fünf- und Sechsecken und zeigt ungewöhnliche Eigenschaften. (Berylliumatome: grau, Stickstoff: blau) © M. Bykov

Wie verzerrte Honigwaben: Forschende haben ein neues zweidimensionales Material entdeckt – Beryllonitren. In ihm bilden Beryllium und Stickstoff ein einlagiges Kristallgitter aus Fünf- und Sechsecken, das besondere elektronische Eigenschaften besitzt. Es könnte sich daher unter anderem für Anwendungen in der Quantentechnologie eignen. Bisher allerdings wird noch hoher Druck benötigt, um dieses neue 2D-Material zu erzeugen.

Graphen machte den Anfang: Das Material aus einem einlagigen Kohlenstoffgitter besitzt exotische Eigenschaften: Es ist flexibel, fester als Stahl, leitet Strom und wird unter bestimmten Bedingungen sogar zum Supraleiter. Auch aus anderen Elementen und Elementkombinationen wurden schon zweidimensionale hexagonale Gitter hergestellt, die ebenfalls besondere elektronische Eigenschaften aufweisen – und sogar exotische Materiezustände wie den einer Spinflüssigkeit annehmen können.

2D-Gitter entsteht bei Dekompression

Jetzt ist es einem Team um Maxim Bykov von der Carnegie Institution for Science gelungen, ein weiteres, zuvor unbekanntes 2D-Material herzustellen. Dafür setzten sie eine Mischung aus Beryllium und Stickstoff in einer Diamantstempelzelle dem extrem hohen Druck von bis zu 85 Gigapascal aus. Unter diesen Bedingungen entstehen Beryllium-Polynitride – kristalline Verbindungen, in denen jeweils mehrere Stickstoffatome mit einem Berylliumatom verknüpft sind.

Das Neue aber passierte, als die Forschenden den Druck langsam wieder senkten: Unter der Dekompression bildete sich eine aus einlagigen Schichten aufgebaute, zuvor unbekannte Verbindung. Sie besteht aus zickzackförmigen Stickstoffketten, die durch Beryllium-Atome verbunden sind. Dadurch entsteht Beryllonitren – ein zweidimensionales Material, das eine verzerrte Honigwabenstruktur aus BeN-Fünfecken und BeN-Sechsecken zeigt.

Gitterstruktur
Das elektronische Gitter (grün) des Beryllonitrens sieht wie eine leicht verzerrte Bienenwabe aus. © M. Bykov

„Einzigartige elektronische Eigenschaften“

„Erstmals ist es jetzt der Hochdruck-Forschung gelungen, in enger internationaler Zusammenarbeit eine chemische Verbindung herzustellen, die zuvor völlig unbekannt war“, sagt Koautorin Natalia Dubrovinskaia von der Universität Bayreuth. „Diese Verbindung kann als Präkursor für ein 2D-Material mit einzigartigen elektronischen Eigenschaften dienen.“ Denn anders als beim Graphen ergibt sich aus der zweidimensionalen Kristallstruktur des Beryllonitrens ein elektronisches Gitter, das leicht verzerrt ist.

Wegen der daraus resultierenden elektronischen Eigenschaften wäre Beryllonitren, falls es sich eines Tages im Industriemaßstab herstellen ließe, hervorragend für Anwendungen in der Quantentechnologie geeignet – beispielsweise für den Bau von Hochleistungscomputern oder für neuartige Verschlüsselungstechniken mit dem Ziel einer sicheren Kommunikation. „Mit unserer Studie haben wir der Hochdruck-Forschung eine neue Perspektive für die Entwicklung technologisch attraktiver 2D-Materialien eröffnet, die das Graphen möglicherweise übertreffen werden“, sagt Leonid Dubrovinsky von der Universität Bayreuth.

Geht es auch ohne Hochdruck?

Noch allerdings ist die Herstellung des Beryllonitrens zu aufwändig: „Ein Verfahren für die Herstellung von Beryllonitren im Industriemaßstab wird es nicht geben können, solange dafür extrem hohe Drücke erforderlich sind, die sich nur im Forschungslabor erzeugen lassen“, erklärt Dubrovinsky. „Es ist jedoch sehr wichtig, dass die neue Verbindung bei der Dekompression entstanden ist und unter Umgebungsbedingungen existieren kann.“

Der Physiker hält es daher für durchaus möglich, dass sich Beryllonitren oder ein ähnliches 2D-Material mit technisch weniger aufwändigen Verfahren nachzubauen und industriell nutzen lassen. (Physical Review Letters, 2021; doi: 10.1103/PhysRevLett.126.175501)

Quelle: Universität Bayreuth

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