Harry Potter lässt grüßen: US-Forscher haben erstmals eine Tarnkappe entwickelt, die nur aus einer ultradünnen Materialschicht besteht. Selbst unregelmäßig geformte Objekte werden unsichtbar, wenn sie unter dieser Tarndecke liegen. Das Spannende daran: Der neuartige Tarnmantel könnte ohne Probleme sogar in metergroßen Bahnen hergestellt werden und dann selbst große Objekte verhüllen, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Schon seit längerem versuchen Forscher, echte Tarnkappen zu konstruieren. Tatsächlich gibt es bereits Varianten, die Objekte im sichtbaren Licht, im Magnetbereich oder für Wärmesensoren unsichtbar machen. Häufig wird dies mit Hilfe von Metamaterialien erreicht, Feststoffen, die spezielle Brechungseigenschaften aufweisen. Es gibt aber auch erste Varianten mit Linsen oder spezielle geformten Zylindern.
Allerdings: Die meisten dieser Tarnkappen sind eher unhandlich und können nur Objekte kaschieren, die viel kleiner sind als sie selbst. „Sie ähneln weniger Harry Potters Umhang als vielmehr Harry Potters Schuppen“, scherzt John Pendry vom Imperial College London in einem begleitenden Science-Kommentar. Doch das hat sich nun geändert. Denn Xingjie Ni und seine Kollegen von der University of California in Berkeley haben nun erstmals ein Material für einen echten Tarnmantel entwickelt.
Ultradünnes Metamaterial mit Goldantennen
„Unser ultradünner Tarnmantel sieht wirklich wie ein Umhang aus“, erklärt Ni. Er besteht aus einem nur 80 Nanometer dicken Metamaterial, das sich wie eine dünne Haut an alle darunter liegenden Objekte anschmiegen kann. Auf diesem Material sitzen goldene Nanoantennen, winzige Metallblöckchen, die kleiner sind als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts und auch näher zusammenliegen.
Diese Mikrostruktur manipuliert reinfallendes Licht so, dass Unebenheiten komplett kaschiert werden – und damit auch die unter diesem Tarntuch versteckten Objekte. Der Clou dabei: Je nach Ausrichtung der Nanoantennen kann der Tarneffekt an- oder ausgeschaltet werden. Wie das funktioniert, demonstrierten die Forscher mit mehreren Experimenten, bei denen sie ein unregelmäßig geformtes Objekte von knapp 40 Mikrometern Größe unter den Tarnmantel legten und dann rotes Licht von 730 Nanometern Wellenlänge darauf richteten.
Selbst vorm Interferometer getarnt
Das Ergebnis: War die Tarnfunktion aktiviert, war das Objekt komplett unsichtbar. Im Mikroskop erschien das Bild einer scheinbar völlig ebenen Fläche – von den Buckeln und scharfe Spitzen des Objekts keine Spur. Das antennenbestückte Metamaterial lenkte die einfallenden und wieder reflektierten Lichtstrahlen so um, dass es aussah, als würden sie von einer ebenen Fläche reflektiert.
Dieser Tarneffekt funktionierte sogar, wenn die Forscher den Tarnmantel samt Objekt mit Hilfe der Interferometrie abtasteten. Dabei werden zwei Laserstrahlen so verkoppelt, dass sie schon winzige Phasenverschiebungen sichtbar machen, wie sie durch kleinste Erhebungen oder Senken im abgetasteten Objekt auftreten. Doch die Nanoantennen auf der Tarndecke glichen selbst die Phasenverschiebungen aus und tilgten damit alle verräterischen Verzerrungen im Interferenzbild.
„Problemlos skalierbar“
„Das ist das erste Mal, dass ein 3D-Objekt mit unregelmäßiger, zufälliger Form im sichtbaren Licht komplett getarnt wird“, konstatieren die Forscher. Und das Spannende daran: Die Tarndecke lässt sich nahezu beliebig skalieren, wie sie betonen: „Theoretisch gibt es keine Größenbeschränkung. Schon jetzt ist die Herstellung von metergroßen, nanostrukturierten Schichten möglich – beispielsweise durch Rollen-Druck.“
Damit aber könnte man künftig auch sehr viel größere, makroskopische Objekte verstecken. „Das Metamaterial kann auf einen Behälter beliebiger Form gelegt werden – mit oder ohne Zwischenraum zum zu verbergenden Objekt“, berichten Ni und seine Kollegen. „Solange die Metaoberfläche korrekt designed ist, werden sowohl der Behälter als auch das Objekt darin unsichtbar werden.“ Zu einem echten Tarnumhang à la Harry Potter ist es damit womöglich auch nicht mehr weit.
Allerdings: Bisher funktioniert der Tarnmantel nur, solange sich das Objekt nicht bewegt. Und auch der Wellenbereich, in dem die Tarnung wirkt, ist eng umgrenzt auf rotes Licht. Dennoch sehen auch andere Physiker in diesem Tarnmantel einen wichtigen Fortschritt. Man könne sich einige Anwendungen für solche Metaoberflächen vorstellen, meint Pendry. „Science, 2015; doi: 10.1126/science.aac9411)
(DOE/ Lawrence Berkeley National Laboratory, 18.09.2015 – NPO)