Glatte Wände mühelos empor klettern, das ist der Traum von Fensterputzern, Feuerwehrleuten oder Einbrechern. Ein Käfer kann das. Er hat winzig kleine pilzkopfförmige Strukturen an seinen Füßchen, die an der Wand haften, weil unter ihnen ähnlich wie bei einem Saugnapf ein Unterdruck entsteht. Und wie deutsche Forscher jetzt festgestellt haben, haften diese Strukturen unter Wasser sogar besser als an der Luft. Das macht Kleben ganz ohne Klebstoff auch dort möglich – zum Beispiel für neu entwickelte Folien.
Ein Gecko würde unter Wasser wohl an steilen Wänden abrutschen, weil seine nanometerfeinen Härchen dann nicht so gut haften wie an der Luft. Dass er im Trockenen problemlos an ihnen empor wandern kann, verdankt er nämlich vor allem den Van-der-Waals Kräften. Diese Kräfte wirken, wenn sich zwei Moleküle gegenseitig annähern. Dann verschieben sich kurzzeitig die Ladungen in den Teilchen und es bilden sich Dipole, die sich wie kleine Magneten anziehen. Im Wasser können sich die Moleküle nicht nah genug kommen, und die ohnehin sehr schwache Kraft nimmt noch deutlich ab. Die Forscher am Max-Planck-Institut für Metallforschung zeigten, dass glatte Polymeroberflächen unter Wasser aufgrund der verringerten van der Waals-Kräfte wesentlich schlechter haften als an der Luft. Haftmaterial, das nach dem Vorbild von Gecko-Füßen mit unzähligen nur wenigen hundert Nanometer feinen Härchen Haftung gibt, verliert im Wasser daher den Halt.
Pilzköpfe kleben wie von selbst
Nicht so, wenn die Füße von Käfern das Model abgeben. Denn unter ihren Fußsohlen sitzen viele kleine pilzförmige Strukturen – pilzförmig, weil jede einzelne Struktur aus einem dünnen langen Stiel besteht auf dem ein noch dünneres Plättchen liegt. Diese Pilzköpfe haben sich die Stuttgarter Forscher für die Herstellung ihrer mikrostrukturierten Oberflächen zum Vorbild genommen. Die dünnen Plättchen ihrer Strukturen haben dabei nur einen Durchmesser von einigen Dutzend Mikrometern. Und: Wenn Folie mit solchen Strukturen unter Wasser haftet, muss man 25 Prozent mehr Kraft aufwenden, um sie von einer Glasplatte zu lösen.
„Solch ein Plättchen verhält sich wie eine dünne Frischhaltefolie, die ganz glatt auf einer Glasplatte liegt“, erklärt Stanislav Gorb vom Max-Planck-Institut für Metallforschung, der zusammen mit seinem Kollegen Michael Varenberg an der Folie gearbeitet hat. Greift man diese in der Mitte an und zieht sie von der Platte weg, entsteht ein Hohlraum mit Unterdruck. Die Ränder der Folie liegen so glatt auf der Glasplatte, dass keine Luft durchdringt. Dieser Unterdruck hält die Folie an der Glasplatte fest. Genauso funktionieren auch die pilzförmigen Strukturen. Jedes einzelne der unzähligen Plättchen liegt flach auf der Glasplatte. Zieht man das Material mit den Pilzköpfen von der Oberfläche ab, ziehen deren Stiele die Plättchen in der Mitte hoch. Auch hier entsteht ein Hohlraum mit Unterdruck.