Physik

Plasma heißer als gedacht

Forscher entdecken unerwartete Eigenschaften von Laser-induzierten Stickstoff-Plasmen

Bilder der Plasma-Entwicklung © MPQ

Von Lasern erzeugte Plasmen haben zahlreiche Anwendungen in der Kernfusion, der Teilchenbeschleunigung sowie für die Erzeugung von Röntgenstrahlung oder Attosekunden-Pulsen im extremen Ultraviolett. Um die für den jeweiligen Zweck optimalen Eigenschaften einzustellen, bedarf es einer genauen Kenntnis der zeitlichen Entwicklung dieses Zustandes. Forscher haben nun mit einer neuartigen Abfrage-Technik die Plasma-Dynamik in Echtzeit verfolgt.

Wie die Wissenschaftler um Martin Centurion, Peter Reckenthäler und Ernst Fill vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching in der Fachzeitschrift Nature Photonics berichten, zeigte es sich dabei, dass durch ein so genanntes OFI (durch optische Felder induziertes) -Plasma wider Erwarten hohe elektrische und magnetische Felder aufgebaut werden. Diese Erkenntnis kann entscheidende Auswirkungen auf viele Anwendungen laserinduzierter Plasmen haben.

Ein Plasma ist ein heißer und dichter Materiezustand, in dem sich Atome gewissermaßen in ihre Bestandteile – Kerne und Elektronen – aufgelöst haben, sodass positiv geladene Ionen und negativ geladene Elektronen gleichberechtigt nebeneinander existieren. Nach gängigen Theorien ist das Innere eines Plasmas ein feldfreier Raum, in dem die elektrischen Ladungen gleichförmig verteilt sind. Nur innerhalb kleinster Dimensionen, der sogenannten Debye-Länge – etwa 0,1 Mikrometer – sollte es zu Fluktuationen von elektrischen Ladungen kommen.

Gasstrahl mit Laserpulsen beschossen

Die Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass sich im Zentrum eines OFI-Plasmas offenbar ein positiv geladener Bereich herausbildet, den eine weit über die Debye-Länge herausreichende Wolke von Elektronen umgibt. Zur Erzeugung eines OFI-Plasmas lassen die Wissenschaftler aus einer Düse Stickstoff strömen. Diesen Gasstrahl beschießen sie mit intensiven, nur 50 Femtosekunden (fs; eine fs=10 hoch -15 sec) dauernden Laserpulsen aus dem sichtbaren Spektralbereich. Die hohen Feldstärken innerhalb der Pulse ionisieren die Atome und führen zur Plasmabildung im Laserbrennpunkt.

Dieses Gasplasma wird anschließend mit drei Pikosekunden (ps) währenden Pulsen (eine ps = 10 hoch -12 sec) aus Elektronen bombardiert, die eine Energie von 20 Kiloelektronenvolt haben. Die Repetitionsrate der Laser- und Elektronenpulse beträgt ein kHz (=1.000 Pulse pro Sekunde). Nach dem Passieren des Plasmas wird der Elektronenstrahl mit einem Durchmesser: drei Millimetern auf einem Detektor nachgewiesen.

„Loch“ im Elektronenstrahl

Die Wirkung des Plasmas auf den „Abfragestrahl“ aus Elektronen spiegelt sich in deren Verteilung wieder: Für ein feldfreies Plasma würde man erwarten, dass die Elektronen den Detektor gleichmäßig bedecken und nur durch die Gasdüse abgeblockt werden. Die Experimente zeigten jedoch, dass auf dem Detektor ein interessantes, sich rasch veränderndes Muster entsteht.

Um die zeitliche Entwicklung des Plasmas zu verfolgen, wird die Zeit zwischen Laser- und Abfrage-Puls variiert. Die so im Abstand von wenigen Pikosekunden gewonnenen Aufnahmen zeigen folgendes: zunächst – nach einigen wenigen Pikosekunden – entsteht im Bereich des Laserbrennpunkts ein „Loch“ im Elektronenstrahl. Die hier fehlenden Elektronen sind offenbar in zwei keulenförmige Gebiete abgewandert, die sich entlang des Laserstrahls auf jeder Seite des Plasma-Gebietes ausbreiten.

Diese Entwicklung hält etwa 80 Pikosekunden lang an. Dann häufen sich die Abfrage-Elektronen zu einem hellen „Fleck“ im Zentrum an, sodass ihre Dichte hier sogar größer als im ursprünglichen Strahl ist. Nach etwa 300 Pikosekunden werden diese Muster allmählich unscharf.

Eine Wolke heißer Elektronen

Für diese Beobachtungen haben die Wissenschaftler folgende Erklärung: Bereits kurz nach der Erzeugung des Plasmas durch den Laserpuls formt sich im Zentrum ein positiv geladener Bereich, den eine Wolke heißer Elektronen umgibt. Durch diese Ladungstrennung entstehen elektrische und magnetische Felder, die die Elektronen des „Abfragestrahls“ so ablenken, dass sich die oben beschriebene Verteilung ergibt. Die Elektronenwolke reicht über das ursprüngliche Plasma hinaus, nach 100 Pikosekunden ist ihr Radius etwa 1.000 mal größer als die Debye-Länge.

Unter diesen Bedingungen wird der Abfragestrahl jetzt auf das Zentrum des Detektors fokussiert, was das Auftreten des hellen Flecks erklärt. Numerische Simulationen, die auf diesen Annahmen beruhen, geben die experimentellen Daten gut wieder und erlauben es, Parameter wie Feldstärken, Gesamtladung und Elektronentemperatur zu berechnen. Sie zeigen, dass die beschriebenen Ladungsverteilungen nur dann auftreten können, wenn sich einige der Plasma-Elektronen extrem aufheizen und viel heißer werden als das Plasma selbst.

Physik lasererzeugter Plasmen besser verstehen

Ein Prozess, der dies bewirken kann, sind Stöße der zurückkehrenden oszillierenden Elektronen mit den Atomkernen. Die hier demonstrierte „Deflektometrie“-Technik vermag Änderungen der Plasma-Entwicklung innerhalb von einigen Pikosekunden mit einer räumlichen Auflösung von 30 Mikrometern einzufangen. Ihre hohe Empfindlichkeit beruht darauf, dass kleine Ladungsverschiebungen innerhalb des Plasmas sich als Störungen im räumlichen Profil des Elektronenstrahls bemerkbar machen.

Die neue Methode birgt nach Ansicht der Wissenschaftler das Potenzial, die Physik lasererzeugter Plasmen besser zu verstehen und eventuell auf Plasmen basierende Elektronen- und Ionenbeschleuniger gezielt zu verbessern.

(idw – Max-Planck-Institut für Quantenoptik, 21.04.2008 – DLO)

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