Innerhalb von nur zwei Zentimetern von 100 auf 200 Stundenkilometer beschleunigen – das klingt erstmal unmöglich, doch das Äquivalent davon ist jetzt Teilchenphysikern gelungen. Mit Elektronen als „Rennwagen“ und einem Plasma aus ionisiertem Gas als Turboantrieb. Wie die Forscher jetzt in “Nature“ berichten, verdoppelten sie so die Energie der knapp mit Lichtgeschwindigkeit fliegenden Elektronen. Die neue Technik könnte den Weg zu neuen Erkenntnissen in der Hochenergie-Teilchenphysik ebnen.
Eine ganze Reihe von noch immer ungeklärten Fragen der Physik wie beispielsweise die Natur der Dunklen Energie oder die Zusammensetzung der Materie, lassen sich mit heutiger Technologie noch nicht beantworten. Die Teilchenbeschleuniger schaffen es noch nicht, Teilchenstrahlen zu erzeugen, die energiereich genug sind, um auch die extrem kurzlebigen Phänomene und Teilchen zu detektieren.
Armeslänge statt Kilometerring
Ein Wissenschaftlerteam unter Leitung von Physikern des Stanford Linear Accelerator Center (SLAC) hat jetzt eine neue Methode entwickelt und erprobt, bei der ein ionisiertes Gas eingesetzt wird, um die Elektronen auf sehr kurzer Strecke extrem zu beschleunigen. „Die Größenordnungen sind bemerkenswert“, erklärt Mark Hogan, Co-Autor der Studie. „Man braucht ein Flugzeug um den gut drei Kilometer großen Beschleuniger ganz zu fotografieren. Aber in der kleinen Strecke kürzer als die Spanne ihrer Arme haben wir jetzt die Energie von Elektronen auf den höchsten hier jemals erreichten Wert verdoppelt.“
Im Versuchsaufbau wurden die Elektronen zunächst für drei Kilometer durch den Linearbeschleuniger des SLAC geschickt, 42 Milliarden Elektronenvolt an Energie gewannen sie dadurch. Dann passierten sie eine 84 Zentimeter lange Kammer gefüllt mit ionisiertem Lithiumgas. Und genau dieses verschaffte den Teilchen noch einmal eine Art „Turbo“: Sie gewannen noch einmal 42 Milliarden Elektronenvolt hinzu und verdoppelten so ihren Energiegehalt auf kürzester Strecke. Ursache dieses Effekts ist ein Plasma, das sich vor den durch das Gas schießenden Elektronen bildet. Es fließt an den Elektronen vorbei und erzeugt hinter ihnen ein Art Schubkraft, die sie noch einmal beschleunigt.