Quantenpost im Untergrund: In New York City hat die Quanten-Übertragung einen ersten Langzeittest bestanden. 15 Tage lang wurden verschränkte Photonen über eine 34 Kilometer lange Telekommunikationsleitung unter der Stadt verschickt – ohne zwischenzeitige Kalibrierung und andere menschliche Hilfen. Mit Erfolg: Trotz Vibrationen und weiteren stadttypischen Störeffekten erreichte der Quantentransfer eine Zuverlässigkeit von 99 Prozent, wie die Physiker berichten. Wie aber haben sie das geschafft?
Die Quantenkommunikation gilt als besonders sicher und zukunftsträchtig. Dabei wird die Information durch quantenphysikalisch verschränkte Photonen übertagen – instantan, manipulationssicher und über große Entfernungen hinweg. In Pilotversuchen haben Physiker solche Quanteninformationen schon über städtische Glasfasern, über Seekabel, durch die Luft und sogar via Satellit übertragen.
Ist die Quantenüberragung alltagstauglich?
Allerdings waren diese Quanten-Übertragungen meist Machbarkeitstests mit wenigen Photonen und nur kurzer Dauer. „Aber für praktisch nutzbare Quantennetzwerke benötigen wir eine über lange Zeit stabile Verschränkung der Polarisation, die eine hohe Durchsatzrate, hohe Zuverlässigkeit und eine lange Uptime des Netzwerks hat“, erklären Alexander Craddock und seine Kollegen vom New Yorker Startup Qunnect. Uptime bedeutet in diesem Kontext Betriebszeit ohne Ausfallzeiten für die Rekalibrierung und andere Arbeiten.
Das Problem: „Die sensible Natur der verschränkten Photonen hat ihren längeren Einsatz in der existierenden Glasfaser-Infrastruktur bisher eingeschränkt“, erklären die Physiker. Denn vor allem in den Großstädten kann jede Vibration oder andere Bewegung des Untergrunds die Photonen stören und ihren Quantenzustand kollabieren lassen. Hinzu kommt, dass die Kodierung der Quanteninformation in der Polarisation der Lichtteilchen durch solche Störeffekte auch verzerrt und verändert werden kann.
„GothamQ“ – Teststrecke für verschränkte Photonen
Für diese Probleme haben Craddock und sein Team nun eine Lösung gefunden und ihr System direkt einem Härtetest unterzogen. Als Teststrecke – passenderweise „GothamQ“ getauft – wählten sie ein 34 Kilometer langes Segment des Telekommunikationsnetzes in New York City. In diese Glasfaserleitung speisten sie Photonen der für die optische Telekommunikation gängigen Infrarot-Wellenlänge von 1.324 Nanometern ein. Die zu transportierende Information war in der Polarisation dieser Lichtteilchen kodiert.
„Das übertragene Telekommunikationsphoton ist mit einem zweiten Photon verschränkt, das eine Wellenlänge von 795 Nanometern hat und lokal gemessen wird“, erklären die Physiker. Solche Nahinfrarot-Photonen sind besonders gut mit gängigen Quantensystemen auf Atombasis wie Quantenspeichern, Quantencomputern oder Quantensensoren kompatibel – diese Photonen bilden damit die Brücke zwischen den stationären Geräten und der Übertragung.
Automatische Kalibrierung
Das Entscheidende jedoch: Um die Störeffekte in der Glasfaser auszugleichen, nutzten Craddock und sein Team eine spezielle Technik. Dabei schickten sie zunächst nichtverschränkte Photonen der gleichen Polarisation durch die Glasfaserleitung und prüften, wie sich deren Schwingungsrichtung in Abhängigkeit von der Strecke, der Bandbreite und der Zeit veränderte. Dabei zeigte sich: Die Verschiebung der Polarisation ist von der Zeit, aber auch der Wellenlänge abhängig.
Diese Information nutzte das Team dann, um diese Störeffekte beim Kodieren und Auslesen der verschränkten Photonen mit einzukalkulieren. Dafür kamen an beiden Enden der Übertragungsstrecke automatisierte Kompensatoren zum Einsatz, die selbstständig die Werte der nichtverschränkten Kontroll-Photonen auslasen. Diese wurden während der 15 Tage anhaltenden Quantenübertragung alle vier Minuten durch die Glasfaser geschickt. Eine Rekalibrierung oder sonstige Eingriffe von Menschenhand gab es in den zwei Wochen des Tests dagegen nicht.
Anders als bei den meisten Pilotversuchen nutzten Craddock und sein Team außerdem eine sehr hohe Datendichte: Pro Sekunde schickten sie zwischen 20.000 und 500.000 verschränkte Photonen durch die Leitung.
Bis zu 99 Prozent zuverlässig
Das Ergebnis: Obwohl die Quanten-Übertragung unter den Straßen New Yorks zwei Wochen lang quasi vollautomatisch ablief, erwies sie sich als robust und zuverlässig. Nach den 34 Kilometern in der Glasfaserleitung kamen fast alle verschränkten Photonen in auslesbarem Zustand an. Bei der höchsten Photonendichte von 500.000 pro Sekunde wurden rund 90 Prozent der Quanteninformation übertragen, bei 20.000 Photonen waren es sogar 99 Prozent wie das Team berichtet.
„Dies zeigt, dass das System 15 Tage lang mit hoher Leistung und ohne jeden User-Input arbeiten kann“, sagen Craddock und seine Kollegen. Die nutzbare Netzwerkzeit während des Tests lag bei 99,84 Prozent. „Dieser Test demonstriert damit, dass ein robuster Rund-um-die-Uhr-Betrieb für verschränkte Informationsübertragung möglich ist – und damit praktisch nutzbar“, so die Physiker. Sie sehen darin einen wichtigen Schritt hin zu einer breiten Anwendung und Kommerzialisierung der Quantenübertragung.
Ähnlich sieht es der nicht an dem Test beteiligte Quantenphysiker Michal Hajdušek von der Keio Universität in Japan: „Diese Arbeit repräsentiert einen signifikanten Schritt zur Realisierung von Quantennetzwerken in der realen Welt“, kommentiert er gegenüber der American Physical Society. (PRX Quantum, 2024; doi: 10.1103/PRXQuantum.5.030330)
Quelle: PRX Quantum, American Physical Society (APS)