Nase vorn: IBM hat erstmals einen Quantencomputer mit mehr als 100 Qubits vorgestellt. Das „Eagle“ getaufte System verfügt über 127 Qubits und soll dennoch eine relativ geringe Fehlerrate aufweisen. Möglich wird dies dank einer speziellen Verschaltung der aus supraleitenden Ladungszentren bestehenden Qubits und der in eigene Schichten ausgelagerten Auslese- und Kontrolltechnik. Im nächsten Schritt soll dieses Prinzip modular werden und einen 1.000-Qubit-Rechner ermöglichen.
Es ist ein Wettlauf um die Computertechnologie der Zukunft: Große Technikkonzerne wie Google, IBM und Co, aber auch staatliche Akteure wie China wetteifern darum, den leistungsfähigsten Quantencomputer zu konstruieren. Wie schnell ein solcher Rechner sein kann und wie komplex die durchführbaren Operationen sind, hängt unter anderem von der Zahl seiner Quantenbits ab. Doch je mehr davon man kombiniert, desto störungsanfälliger und fehlerträchtiger wird das System auch.
Die größten Quantenrechner bisher waren ein 65 Qubit-Computer von IBM und ein 54-Qubit-System von Google. Vor drei Wochen stellte ein chinesisches Forscherteam dann erstmals einen Rechner mit 66 Qubits vor.
Erster Quantencomputer mit 127 Qubits
Jetzt legt IBM nach – und knackt erstmals die Grenze von 100 miteinander verschalteten Quantenbits. Der „Eagle“ getaufte Quantencomputer umfasst 127 Qubits. „Die Zahl der klassischen Bits, die nötig wären, um einen Zustand dieses 127-Qubit-Prozessors darzustellen, übertrifft die Gesamtzahl der Atome in allen heute Lebenden Menschen“, heißt es in einer Mitteilung von IBM.
Die Quantenbits des neuen Rechners sind sogenannte Transmon-Qubits. Dabei handelt es sich um virtuelle Teilchen in Form von supraleitenden Inseln in speziellen Metallspulen. Diese Quantenbits lassen sich über Mikrowellen zu Schaltkreisen verknüpfen. Ihre über elektrische Spannung auslesbaren Zustände entsprechen dann den Nullen und Einsen der konventionellen Bits. Um diese schon bei früheren IBM-Quantencomputern eingesetzt Technik hochskalieren zu können, waren jedoch einige Anpassungen nötig.
Optimierter Aufbau
Eine der Optimierungen betrifft die Anordnung der einzelnen Transmon-Qubits: Sie sind mit jeweils zwei oder drei Nachbarn verbunden und bilden topologisch betrachtet die Ecken und Kanten von hexagonalen Fliesen. „Diese spezielle Anordnung senkt die Anfälligkeit für Fehler durch Interaktionen zwischen benachbarten Qubits“, erklären Jerry Chow, Oliver Dial und Jay Gambetta von IBM Research.
Ebenfalls angepasst ist das Auslesen der Qubits. Dafür werden im IBM-Quantenrechner Resonatoren eingesetzt, deren Schwingungsfrequenz den Zustand der Qubits verrät. „Frühere Prozessoren erforderten eine eigene Kontroll- und Ausleseelektronik für jedes einzelne Qubit. Das ist für ein paar Dutzend Qubits noch machbar, wäre aber für mehr als 100 oder sogar 1.000 Qubits viel zu sperrig“, so die IBM-Forscher. Für „Eagle“ setzte IBM daher auf ein Multiplexing – jeweils ein Auslesemodul ist für mehrere Qubits zuständig.
Eine räumliche Trennung der einzelnen Funktionsebenen in Schichten soll zudem Störungen der sensiblen Quantenbits minimieren. „Wir sind zuversichtlich, dass diese fortgeschrittenen 3D-Packungstechniken auch das Rückgrat künftiger Quantenprozessoren wie unserem geplanten Tausend-Qubit-Rechner ‚Condor‘ bilden können“, schreiben die IBM-Wissenschaftler in ihrem Blog.
Erster Prototyp ist schon verfügbar
Der erste Prototyp des 127-Qubit-Quantenrechnern ist bereits an die IBM-Cloud angeschlossen und soll für ausgewählt Mitglieder des IBM Quanten-Cloudnetzwerks bereits verfügbar sein. IBM sieht in „Eagle“ aber primär einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einem noch leistungsfähigeren, mehr Qubits umfassenden System. Schon jetzt wird an diesem „Quantum System Two“ getauften Konstruktionsprinzip für modulare Quantenrechner gearbeitet.
„Dieses Design wird eine neue Generation von skalierbarer Qubit-Kontroll-Elektronik umfassen, außerdem wird es eine höhere Dichte der cryogenen Komponenten und Leitungen erlauben“, heißt es in der IBM-Mitteilung. Der Prototyp dieses neuartigen Systems soll im Jahr 2023 betriebsbereit sein.
Quelle: IBM Research, IBM