Max-Planck-Wissenschaftler haben ein neues Verfahren für die Steuerung atomarer Gase erfunden. Wie sie in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Physics“ berichten, können sie durch gleichzeitiges Anlegen geeigneter Laser- und Magnetfelder die Eigenschaften der Gase verändern. So erhalten die Forscher ein Werkzeug, um sie auf kleinen Skalen im Nanometerbereich und noch dazu zeitlich schnell veränderbar zu manipulieren. Damit könnte es möglicherweise gelingen, die Vorgänge in Schwarzen Löchern oder Festkörpereigenschaften wie die Supraleitung besser zu verstehen.
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In vielen noch nicht verstandenen Bereichen der Physik setzen die Wissenschaftler ihre Hoffnung in den Quantencomputer. Die besonderen Eigenschaften der Quantenteilchen, die hier der Speicherung und Kodierung von Informationen dienen, sollen die Lösung komplexer Fragestellungen ermöglichen, an denen klassische Computer aus Gründen der Rechenzeit scheitern.
Ziel: Quantencomputer
Die Realisierung eines universellen Quantencomputers, der beliebige Aufgaben bearbeiten kann, ist noch nicht in greifbarer Nähe. Allerdings können bereits mit heutigen Methoden so genannte Quantensimulationen durchgeführt werden. Hierbei bilden Anordnungen aus direkt steuerbaren Quantenteilchen Modelle für komplexe Systeme, die sich gezielten Manipulationen entziehen.
Dünne Wolke aus Rubidiumatomen
Ein neues, viel versprechendes Verfahren hat jetzt ein Team um Professor Gerhard Rempe vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching entwickelt. Die Physiker beginnen ihr Experiment mit einer dünnen Wolke aus etwa 100.000 Rubidiumatomen, die so stark abgekühlt ist, dass die Atome ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat (BEC) bilden: Sie verlieren ihre Individualität und verhalten sich wie ein einziges Superatom. Dabei spürt jedes Atom die Gegenwart der umgebenden Atome, denn es tritt mit diesen durch Stöße in Wechselwirkung. Während eines Stoßes kommen sich je zwei Atome sehr nahe und bilden dabei kurzzeitig ein Molekül, bevor sie wieder als freie Atome auseinander fliegen.
Um die Eigenschaften solcher Stöße gezielt zu beeinflussen, wird seit einigen Jahren eine Methode verwendet, bei der von außen ein Magnetfeld an das Gas angelegt wird. Dadurch gelingt es, die Zeit zu verlängern, in der ein Atompaar während eines Stoßes als temporär geformtes Molekül vorliegt. Mit der Änderung der Stoßeigenschaften ändern sich dann auch die Eigenschaften des Gases als Ganzes. Diese Methode ist recht erfolgreich. Allerdings ist ihr Anwendungsbereich leider dadurch begrenzt, dass aufgrund der geometrischen Verhältnisse diese Manipulation nicht auf sehr kleinen räumlichen Skalen durchzuführen ist.
Laserlicht statt Magnetfeld
Vor wenigen Jahren wurde eine alternative Methode entwickelt, bei der anstelle des Magnetfeldes Laserlicht verwendet wird, um die Stoßeigenschaften der Atome gezielt zu beeinflussen. Die Frequenz des Laserlichts muss dabei in der Nähe der Anregungsenergie der temporär gebildeten Moleküle liegen.
Die Lichtintensität lässt sich naturgemäß mit hoher räumlicher Auflösung, nämlich auf der Skala der optischen Wellenlänge – einige hundert Nanometer – steuern, so dass auch die Eigenschaften des Gases auf dieser Längenskala von außen vorgegeben werden können. Allerdings führt der Einfluss des Laserlichts leider auch dazu, dass Teilchen aus dem kalten Gas verloren gehen, und zwar so schnell, dass sich die Methode kaum für praktische Anwendungen nutzen lässt.
Zwei Steuerungstechniken kombiniert
In dem vorliegenden Experiment kombinieren die Wissenschaftler nun erstmals beide Steuerungstechniken, das heißt sie legen ein Magnetfeld an und bestrahlen die kalte Atomwolke gleichzeitig mit Laserlicht. Wie die Forscher in ihren Messungen zeigten, verändert das Laserlicht auch hier die Stoßeigenschaften. Allerdings sind dafür jetzt weniger hohe Lichtintensitäten nötig, da die Atompaare wegen des Magnetfelds längere Zeit als gebundene Moleküle vorliegen. Die Verlustprozesse laufen daher deutlich langsamer ab.
Die Eigenschaften des Atomgases können hier also mit Laserlicht – und daher auf kleinen Längenskalen – beeinflusst werden, jedoch mit weit geringeren Teilchenverlusten als bei der bisher bekannten Technik.
Diese Ergebnisse haben nach Angaben der Wissenschaftler ein hohes Anwendungspotential. Man kann beispielsweise mit einer holographischen Maske ein komplexes Lichtmuster erzeugen und dem Bose-Einstein-Kondensat überlagern. Die Lichtintensität kann dabei auf einer Skala moduliert werden, die der optischen Wellenlänge entspricht, und außerdem kann das Muster innerhalb kurzer Zeit verändert werden. Damit entsteht die Möglichkeit, die Stoßeigenschaften in einem ultrakalten Gas durch Licht sehr flexibel zu verändern.
Kristall aus Licht
In einem nächsten Schritt wollen die Forscher diese Methode auf ein BEC in einem optischen Gitter anwenden. Das ist ein Kristall aus Licht, der durch geeignete Überlagerung aus stehenden Laserwellen erzeugt wird, sodass sich helle und dunkle Gebiete periodisch abwechseln. In diesem Lichtfeld bewegen sich die Atome ähnlich wie die Elektronen im Kristallgitter eines Festkörpers.
Durch Kombination mit der neuen Methode können in solchen Gittern weit komplexere Systeme simuliert werden, als mit den bisherigen Methoden, mit denen die Wechselwirkungsstärke entweder nur für alle Gitterplätze gleichzeitig verändert werden konnte, oder die Teilchen so schnell verloren gingen, dass kaum Zeit zum Experimentieren blieb. Damit eröffnen sich deutlich breitere Anwendungsbereiche für Quantensimulationen.
(idw – Max-Planck-Institut für Quantenoptik, 07.04.2009 – DLO)