Kosmische Kopplung: Physiker haben erstmals Photonen aus der Sonne mit Photonen aus dem Labor verschränkt – über 150 Millionen Kilometer hinweg. Trotz ihrer extrem unterschiedlichen Herkunft zeigten die Lichtteilchen im Experiment eine typische Quanteninterferenz und ein verschränktes Verhalten. Dies eröffne ganz neue Möglichkeiten für quantenoptische Experimente im astronomischen Maßstab, so die Forscher im Fachmagazin „Physical Review Letters“.
Albert Einstein bezeichnete dieses Phänomen als „spukhafte Fernwirkung“: Bei der quantenphysikalischen Verschränkung sind zwei Teilchen so miteinander gekoppelt, dass der Zustandswechsel des einen automatisch den des Partners verursacht. Dies geschieht instantan und unabhängig von der Entfernung. Damit ermöglicht die Verschränkung die schnelle Kommunikation über Netzwerke, zwischen Quantencomputern oder sogar aus dem Orbit.
Für die meisten Anwendungen werden bisher Photonen direkt im „Zweierpack“ erzeugt. Dabei entstehen aus Laserstrahlen über ein Arrangement von Spiegeln und Strahlteilern verschränkte Photonenpaare. Doch es gibt auch Verfahren, mit denen sich Lichtteilchen nachträglich verkoppeln lassen – das ist sogar schon bei Photonen unterschiedlichen Energiegehalts gelungen.
Sonnenlicht im Quantentest
Ein großer Schritt nach vorn ist nun Forschern um Yu-Hao Deng von der Universität für Wissenschaft und Technologie in Schanghai gelungen. Denn sie haben erstmals Photonen von der Sonne mit denen einer irdischen Quelle zur Interferenz gebracht und verschränkt. Zwischen dem Ursprungsort der beiden Sorten von Lichtteilchen liegen damit rund 150 Millionen Kilometer – ein absolutes Novum. Denn bisher war nicht klar, ob eine solche Kopplung mit Teilchen kosmischen Ursprungs überhaupt machbar ist.
Die Herausforderung besteht jedoch nicht nur in der enormen Entfernung beider Quellen. Die Sonne als thermische Strahlenquelle erzeugt auch einen wahren Wust an Photonen verschiedenster Energien, Polarisationen und Ankunftszeiten. Für die nachträgliche Verkopplung jedoch werden Teilchen benötigt, die exakt zur gleichen Zeit und mit den gleichen Eigenschaften durch einen Strahlteiler passieren.
Gefiltert und vereinigt
Für ihr Experiment mussten die Physiker daher aus der Fülle der solaren Photonen genau die herausfiltern, deren Eigenschaften mit denen der im Labor erzeugten Lichtteilchen übereinstimmten. Dafür ergänzten sie ein Sonnenteleskop mit einer Reihe von Filtern, Spiegeln und optischen Gittern. Nach Passage des Lichts durch diesen Aufbau blieb am Ende nur noch die gewünschte Sorte Photonen übrig.
Diese solaren Photonen leiteten die Forscher dann auf einen Strahlteiler und vereinigten sie dort mit einem Strahl von Photonen, die im Labor mittels Halbleiterlaser erzeugt worden waren. Wenn nun zwei Photonen aus den beiden unterschiedlichen Quellen gleichzeitig eintrafen, kam es zu einem auffälligen Phänomen: Statt in zufälliger Folge aus den beiden Ausgängen des Strahlteilers auszutreten, kam es zu einer Quanteninterferenz, wie die Forscher berichten.
Interferenz und Verschränkung nachgewiesen
In 80 Prozent der Fälle verließen die Photonenpaare den Strahlteiler durch den gleichen Ausgang. „Das ist weit über dem klassischen Limit von 50 Prozent“, sagen Deng und seine Kollegen. „Damit haben wir eine nichtklassische Interferenz zwischen Sonnenlicht und Einzelphotonen aus einem Halbleiter-Quantenpunkt demonstriert.“ Dieses Verhalten der solaren Photonen beweist erstmals, dass auch thermisches Licht einer Quantennatur hat und sich genauso wie laborerzeugte Einzel-Photonen verhält und koppeln lässt.
Und nicht nur das: Die Photonen aus der Sonne ließen sich auch mit den Labor-Photonen verschränken, wie die Forscher berichten. In ihrem Experiment wiesen sie nach, dass die so erzeugten Paare gegen die Bellsche Ungleichung verstoßen: Ihre Eigenschaften sind unabhängig von der räumlichen Entfernung und Position korreliert. Diese Nichtlokalität gilt als Indikator für die quantenphysikalische Verschränkung.
Quantenkryptografie mit Sonnenlicht?
Nach Ansicht der Forscher ist damit bewiesen, dass sich auch Teilchen kosmischen Ursprungs für quantenphysikalische Experimente und Anwendungen eignen. „Unsere Ergebnisse bestätigen die Universalität der quantenphysikalischen Prinzipien auch auf astronomischen Skalen. Ihrer Ansicht nach könnten solche kosmischen Photonen daher künftig für verschiedene Anwendungen genutzt werden, darunter Quantenteleportation, Quanten-Repeater, hybride Quanten-Netzwerke und die Quantenverschlüsselung von Daten.
„Unser Experiment kann auch auf noch größeren Maßstab erweitert werden und dann Photonen ferner Sterne nutzen“, so Deng und sein Team. „Dies eröffnet einen ganz neuen Weg für quantenoptische Experimente in astronomischem Maßstab.“ (Physical Review Letters, 2019; doi: 10.1103/PhysRevLett.123.080401)
Quelle: American Physical Society (APS)