In der Welt der Quanten können kleinste Teilchen selbst Barrieren durchdringen – sie „tunneln“ hindurch. Weil dieser seltsame Effekt in unserer Makrowelt nicht vorkommt und er zudem schwer genau zu messen ist, war bisher unklar, ob ein Quantenteilchen für diese Passage Zeit benötigt oder nicht. Eine theoretische Studie spricht nun für ersteres und zeigt auf, wie sich dies im Experiment nachweisen ließe.
In der Welt der kleinsten Teilchen gelten andere Gesetze als in unserer Makrowelt. Anders als ein Fußball, der von einer Mauer mit 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit abprallt, hat daher ein Quantenteilchen eine kleine Chance, eine Barriere zu durchdringen – und dies selbst wenn seine Energie dafür eigentlich nicht ausreicht. Durch dieses sogenannte Tunneln kann beispielsweise ein Elektron dem von der Anziehungskraft des positiv geladenen Atomkerns gebildeten Käfig entkommen. Es existiert daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit, ein solches Elektron jenseits des sogenannten Potenzialwalls zu finden. Wie schnell dieses Tunneln erfolgt und ob es vielleicht sogar instantan stattfindet, war bisher unklar.
Auch das Tunneln braucht Zeit
Forscher des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg belegen nun in ihrer theoretischen Studie, dass das Elektron tatsächlich eine kurze, aber messbare Zeit in der Barriere verbringt. „Unsere Studie gibt Hinweise, wie sich die Eisenbud-Wigner-Smith-Zeit, die das Elektron in der Tunnelbarriere verbringt, messen lässt“, erklärt Studienleiter Christoph Keitel. Wo und wie Messungen aussagekräftiger werden, leiten die Forscher aus einer theoretischen Betrachtung des Tunnelprozesses ab, in der sie erstmals sogenannte relativistische Effekte berücksichtigten. Diese treten auf, wenn der Atomkern und die elektromagnetische Kraft eines intensiven Lasers das tunnelnde Elektron fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen.
„Wir haben bewiesen, dass das Bild des Tunnelns auch für Elektronen, die fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wurden, noch zutrifft“, sagt Michael Klaiber, der am Heidelberger Max-Planck-Institut einen Großteil der Rechnungen vorgenommen hat. Selbstverständlich ist das nicht, weil die Vorstellung eines Elektrons, das durch eine Potenzial-Barriere tunnelt, nur die elektrische Komponente des elektromagnetischen Laserfeldes berücksichtigt. Relativistische Elektronen nehmen dagegen auch die magnetische Komponente des Lichts wahr, die senkrecht zum elektrischen Feld steht. Damit folgen die Elektronen während des Tunnelns sowohl den Gesetzen der Quantenmechanik als auch denen der Relativitätstheorie.