Bisher war unklar, ob Quasikristalle überhaupt ferromagnetisch sein können. Doch nun ist es Forschern erstmals gelungen, diese exotischen Feststoffe in eine magnetische Ordnung zu bringen. Im Experiment wechselten ikosaedrische Quasikristalle aus Gold, Gallium und Gadolinium oder Terbium beim Abkühlen in einen ferromagnetischen Zustand. Dies ist der erste Nachweis eines Ferromagnetismus bei einem Quasikristall – und eröffnet nun neue Möglichkeiten der Nutzung für diese Materialien.
Anders als Kristalle sind Quasikristalle nicht aus immergleichen, symmetrischen Grundeinheiten aufgebaut. Stattdessen zeigt ihr Gitter mehrere, sich abwechselnde geometrische Grundformen – etwas, das in der Natur lange als unmöglich galt. Tatsächlich stammen die wenigen natürlichen Quasikristalle alle aus Meteoriten, ein weiterer Quasikristall entstand 1945 beim „Trinity“-Atombombentest in den USA. Auch wenn Quasikristalle inzwischen gezielt im Labor erzeugt werden können, sind viele ihrer physikalischen Eigenschaften noch unbekannt.
Eine der offenen Fragen betraf die Magneteigenschaften der Quasikristalle: Versuche schienen darauf hinzudeuten, dass sich die quasiperiodischen Gebilde einer magnetischen Ordnung entziehen: Setzt man sie einem Magnetfeld aus und kühlt sie ab, werden sie zum Spinglas – ihre spezifische Struktur hindert die Spins ihrer Atome daran, sich geordnet auszurichten wie für Ferromagneten typisch. Bedeutet dies, dass Quasikristalle per se nicht ferromagnetisch sein können?
Gold, Gallium und Seltenerdmetall
Auf der Suche nach einer Antwort haben Ryuji Tamura von der Tokyo University of Science und seine Kollegen nun eine neue Form von Quasikristallen erzeugt und untersucht. Dabei handelt es sich um Metalllegierungen aus Gold, Gallium und einem Seltenerdmetall – hier Gadolinium oder Terbium – mit einer fünfzahligen Symmetrie. Solche ikosaedrischen Quasikristalle nach dem Schema Au65Ga20R15 – R steht für Gadolinium oder Terbium – seien nie zuvor synthetisiert worden, so die Forscher.
Anstoß für diese spezielle Legierung gaben verwandte kristalline Feststoffe, für die kürzlich ein Ferromagnetismus nachgewiesen wurde. Das Team wollte daher herausfinden, ob dies möglicherweise auch für Quasikristalle mit dieser Zusammensetzung und einem ähnlichen Verhältnis von Elektronen zu Atomen gilt.
Bei Abkühlung ferromagnetisch
Und tatsächlich: Als Tamura und seine Kollegen ihre Quasikristalle abkühlten und ihren Magnetismus überprüften, zeigte sich je nach Variante bei 16 oder bei 23 Kelvin ein abrupter Wechsel: Anders als frühere Ansätze wurden diese quasikristallinen Legierungen unterhalb dieser Schwellentemperatur nicht zu Spinglas, sondern ferromagnetisch. „Damit haben wir erstmals eine über längere Strecken wirkende magnetische Ordnung in Quasikristallen nachgewiesen“, schreibt das Team.
Dies bestätigte sich auch bei ergänzenden Neutronenstreuungs-Analysen: „Wir beobachten eindeutig magnetische Bragg-Reflexionen unterhalb der Schwellentemperaturen“, berichten die Physiker. „Das bestätigt die ferromagnetische Natur.“ Als ausschlagende Faktoren dafür sehen sie die Einbindung der Seltenerdmetalle Gadolinium oder Terbium, aber auch das auf 1,7 gebrachte Elektronen/Atome-Verhältnis.
Neue Möglichkeiten
Nach Ansicht der Forscher eröffnet die Synthese der ersten ferromagnetischen Quasikristalle nun neuen Möglichkeiten, künftig gezielt weitere, maßgeschneiderte Varianten dieser exotischen Feststoffe herzustellen. „Niemand weiß, welches merkwürdige Verhalten die Quasikristalle noch zeigen werden oder wie sie für das Voranbringen der Technologie verwendet werden können, aber wir haben einen wichtigen ersten Schritt dorthin gemacht“, sagt Tamura.
Die Eigenschaften dieser ferromagnetischen Quasikristalle nun weiter zu erhellen, werde in jedem Falle zur Weiterentwicklung der Wissenschaft beitragen, so der Physiker. (Journal of the American Chemical Society, 2021; doi: 10.1021/jacs.1c09954)
Quelle: Tohoku University