Das Experiment geht auch mit Hydrogelkugeln, wie dieses Video belegt.© Khattak et al. /PNAS
Es geht auch mit ganzen Trauben
Die erste Überraschung: Entgegen landläufiger Annahme funktioniert der Plasma-Trick auch ohne die Brücke aus Traubenhaut. Die Kombination von nasser Schnittfläche und fester Traubenhaut hat ebenfalls nichts mit dem Effekt zu tun. „Keine dieser Komponenten ist für die Bildung des Plasmas essenziell“, berichten die Forscher. Zudem zeigen Zeitlupenvideos, dass die ersten Funken nicht in dieser Hautbrücke entstehen, sondern darunter – dort, wo sich die Traubenhälften am nächsten sind.
Demnach lässt sich das Plasma genauso gut mit ganzen Trauben oder kleinen, in Kochsalzlösung getauchten Hydrogel-Kugeln erzeugen, wie die Forscher herausfanden. Und es genügt, wenn sich die Objekte berühren. „Wir vermuten, dass die Brücke aus Traubenhaut in den meisten gezeigten Experimenten einfach nur dafür sorgt, dass die beiden Hälften in Kontakt bleiben“, sagen Khattak und seine Kollegen.
Resonanzeffekt erzeugt Plasma
Die zweite Überraschung betrifft die Physik hinter der funkensprühenden Plasmabildung. Denn Kern dieses Phänomens ist ein Resonanzeffekt mit der Mikrowellenstrahlung, wie die Forscher herausfanden. Dabei werden zunächst die Kalium- und Natriumverbindungen der Traubenhaut an der Kontaktstelle ionisiert. Eine Resonanz mit der Mikrowellenstrahlung führt dann dazu, dass diese Ionen Energie aufnehmen und ein sich ausdehnendes heißes Plasma bilden.
Der Clou daran: Diese Reaktion entsteht deshalb, weil sich an der Kontaktstelle der beiden Kugeln oder Trauben ein Hotspot bildet. Normalerweise ist es für Objekte in der Mikrowelle typisch, dass sich ihre heißeste Stelle im Zentrum bildet. Denn Resonanzen der Mikrowellen führen dazu, dass sich hier die elektromagnetischen Felder am stärksten konzentrieren, wie die Infrarotaufnahmen enthüllten: „In einzelnen Wasserkugeln sieht man deshalb einen gut definierten zentralen Hotspot“, so die Forscher.

Traubenhälften im Realbild, im Wärmebild und in einem physikalischen Modell der Energiedichte. © Khattak et al. /PNAS
Hotspot an der Kontaktstelle
Doch wenn sich zwei Trauben oder zwei Hydrogelkugeln berühren, verschiebt sich dieser Resonanz-Hotspot, wie die Wissenschaftler feststellten. Der energiereichste Punkt liegt dann an der Kontaktstelle der beiden Kugeln. „Kleine, nahe beieinander liegende Kugeln zeigen dabei nur einen Hotspot zwischen ihnen“, berichten Khattak und sein Team. „Wenn die Kugeln weiter auseinander liegen oder größer sind, koexistieren die zentralen Hotspots mit dem an der Kontaktstelle.“
Interessant jedoch: Diese von den Forschern „Dimer-Hotspot“ getaufte Zone entsteht auch dann, wenn beide Trauben sich nicht direkt berühren. Das belegten Versuche, bei denen die Wissenschaftler ein mehrschichtiges Thermopapier zwischen die Kugeln schoben. Nach der Mikrowellen-Bestrahlung zeigte ein dunkler Fleck auf dem Papier, dass am nächsten Punkt zwischen beiden Kugeln starke Hitze entstanden war.
Weintrauben als „undichte Resonatoren“
„Damit haben wir belegt, dass sich das Phänomen der plasmabildenden Weintrauben durch morphologieabhängige Resonanzen erklären lässt“, konstatieren Khattak und seine Kollegen. „Die Weintrauben agieren als Wasserkugeln, die durch ihren großen Brechungsindex und die geringe Absorption bei 2,4 Gigahertz undichte Resonatoren bilden.“ Dadurch entsteht an der Kontaktstelle ein Hotspot, der die Energie der Mikrowellenstrahlung stark konzentriert – und das Plasma erzeugt.
Das Spannende daran: Khattak und sein Team haben damit nicht nur das physikalische Geheimnis der funkensprühenden Traubenhälften gelöst – ihre Erkenntnisse könnten sich auch ganz praktisch anwenden lassen. Denn wie die Forscher erklären, könnten diese Resonanzeffekte auch bei der Entwicklung elektronischer Anwendungen und Antennen nützlich werden. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2019; doi: 10.1073/pnas.1818350116)
Quelle: PNAS
19. Februar 2019
- Nadja Podbregar