Es ist eine seit Jahrzehnten strittige Frage: Warum ging die „Hindenburg“, der größte Zeppelin der Welt, am 6. Mai 1937 so schnell und dramatisch in Flammen auf? Jetzt könnte ein US-Forscher die Antwort gefunden haben. Er hat die Außenhaut der Hindenburg originalgetreu nachgebaut und im Experiment untersucht, wo und wie sich an der Hülle des gewaltigen Luftschiffs elektrische Entladungen ereignet haben könnten – mit teils überraschenden Ergebnissen.
Vor rund 100 Jahren erlebten die Zeppeline ihre große Blütezeit: An Bord der riesigen Luftschiffe konnten wohlhabende Passagiere erstmals in nur zwei bis drei Tagen den Atlantik überqueren – deutlich schneller als per Schiff. Einer der größten je gebauten Zeppeline war die knapp 250 Meter lange und mit rund 190.000 Kubikmeter Wasserstoff gefüllte „Hindenburg“. Sie transportierte gut 70 Passagiere und elf Tonnen Facht im Linienverkehr zwischen Frankfurt und dem US-Landeplatz Lakehurst nahe New York, sowie nach Rio de Janeiro.
Doch am 6. Mai 1937 kam es bei der Landung der „Hindenburg“ in Lakehurst zur Katastrophe: Am Heck des Zeppelins brach ein Wasserstofffeuer aus, das sich rasend schnell ausbreitete. Sekunden später sackte er ab, rammt fast den Ankermast und sank schließlich brennend zu Boden. 35 der 97 Menschen an Bord des Luftschiffs starben – teils im Feuer, teils beim Sprung aus dem brennenden Wrack.
Warum entzündete sich der Wasserstoff?
Wie dieses Feuer jedoch entstand und warum es sich so rasend schnell ausbreitete, ist bis heute strittig. Anfangs vermuteten einige Experten, dass die Dieselmotoren des Luftschiffs Funken erzeugt haben könnten, die dann den aus einem Leck am Heck austretenden Wasserstoff entzündete. Andere gingen von einem Akt der Sabotage aus. Heute scheint klar, dass die elektrisch geladenen Gewitterwolken über Lakehurst eine entscheidende Rolle spielten.
Wahrscheinlich hat die gewittrige Atmosphäre die Außenhülle des Zeppelins aufgeladen. Als das Landeseil des Luftschiffs dann den Boden berührte, könnte es zu einer abrupten Entladung gekommen sein, die dann den aus austretenden Wasserstoff entzündete. Das Problem jedoch: Es gibt einige Beobachtungen und Faktoren, die nicht zu diesem einfachen Bild passen.
Situation im Labor rekonstruiert
Mehr Aufschluss über das feurige Ende der „Hindenburg“ liefern nun Experimente des US-Forschers Konstantinos Giapis vom California Institute of Technology. Der TV-Sender PBS Nova war auf ihn zugetreten und hatte ihn gebeten, die Ursachen der Katastrophe für eine Dokumentation neu zu untersuchen. „Meine erste Reaktion war: Wen interessiert das heute noch? Meine zweite war: Warum kennt man den Grund nicht? Warum wurde dieses Rätsel in all dieser Zeit nie gelöst?“, berichtet er.
Für seine Experimente baute der Forscher zunächst einen Teil der Außenhülle des Zeppelins in seinem Labor möglichst originalgetreu nach. Diese bestand aus Baumwoll- und Leinenbahnen, die zur Imprägnierung mehrfach mit Schichten von Cellon, einer schwer brennbaren Mischung aus Zelluloseacetat und Kampher bestrichen waren. Um die Hülle reflektierend zu machen und ein Aufheizen durch die Sonne zu vermeiden, enthielt diese Mischung zusätzlich Aluminiumflocken.
Diese Hülle war mit Schnüren am Aluminiumgerüst des Zeppelins befestigt. Um den direkten Kontakt zwischen Hülle und Rahmen zu vermeiden, wurden hölzerne Zwischenstücke als Abstandshalter eingefügt. Auch diese Konstruktion bildete Giapis im Labor nach.
Elmsfeuer oder Funken?
Um die Bedingungen am Abend des 6. Mai 1937 nachzubilden, setzte der Forscher dann sein Modell unter Spannung – so viel, wie es auch in den Gewitterwolken über Lakehurst zu erwarten wäre. Tatsächlich gab es Augenzeugen, die eine diffuse, dem Elmsfeuer ähnliche „Aura“ um den Zeppelin gesehen haben wollten. Das allein konnte aber nicht die Ursache des Feuers gewesen sein: „Die Energie dieses diffusen Leuchtens ist sehr gering, es hätte nicht ausgereicht, um den Wasserstoff zu entzünden“, so Giapis.
Ähnlich wie ein deutsches Untersuchungskomitee kurz nach dem Unglück, hält der US-Wissenschaftler energiereiche, lokale Funken daher für die wahrscheinlichere Ursache des Feuers. Um dies zu testen, erdete er sein elektrostatisch aufgeladenes Modell und besprühte es mit einem feinen Wasserfilm. Und tatsächlich: Sofort bildeten sich knatternde Funken, die die Lücke zwischen Außenhülle und Gestänge des Zeppelins übersprangen.
Das Problem der Entfernung und der Verzögerung
Das erklärt allerdings nicht, warum sich der Wasserstoff am Heck des Luftschiffs entzündete. Denn die Funken entstanden primär am Bug, wo das Ankerseil hing. Die Funken hätten sich demnach über mehr als 200 Meter hinweg ausbreiten müssen. „Ladung kann sich zwar auf der nassen Hülle über kurze Entfernungen übertragen, aber den ganzen Weg von Bug des Luftschiffs bis zu seinem Heck ist deutlich schwieriger“, erklärt Giapis.
Merkwürdig auch: Während diese Funken im Modell unmittelbar nach Bodenkontakt des Ankerseils auftraten, entzündete sich das Feuer bei der „Hindenburg“ erst vier Minuten nachdem der Zeppelin über das Seil geerdet war. Das deutsche Untersuchungskomitee führte diese Verzögerung damals darauf zurück, dass das Ankerseil erst leitend wurde, nachdem es vom Regen am Landeplatz durchnässt worden war.
Das aber widerlegt Giapis in seinem Experiment: Das Tau leitete auch im trockenen Zustand. „Meinen Berechnungen nach brauchte es nur zehn bis 15 Sekunden um den Zeppelinrahmen mit dem trockenen Seil zu erden – nicht vier Minuten“, so der Forscher. „Die Funken hätten demnach weit früher auftreten müssen.“
Rahmen und Hülle als Kondensator
Die Lösung fand Giapis schließlich nach weitern Messungen und Tests: Wie er feststellte, erhielt die Hülle des Zeppelins durch die elektrostatische Aufladung in den Wolken eine positive Ladung. Als dann aber das mit dem Gerüst verbundene Ankerseil den Boden berührte, verlieh dies dem Rahmen eine negative Ladung. Weil Hülle und Gerüst durch die Holzstücke voneinander isoliert waren, entstand ein sich immer stärker aufladendes elektrisches Feld – wie in einem Kondensator.
„Wenn man das Gerüst erdet, entsteht ein Kondensator – eines der einfachsten Bauelemente, um elektrische Energie zu speichern“, erklärt Giapis. Überall dort, wo sich Hülle und Rahmen relativ nahe kamen, müssen sich diese Ladungsunterschiede aufgeschaukelt haben – als wäre der Zeppelin mit hunderten Kondensatoren übersät. „Und meinen Berechnungen nach muss es ziemlich genau vier Minuten gedauert haben, um einen Kondensator dieser Größe aufzuladen“, sagt Giapis.
Funken am gesamten Rumpf
Nach Ansicht des Forschers könnte dies erklären, warum sich der ausgetretene Wasserstoff nicht sofort entzündete und auch, warum die Funken nicht nur lokal am Bug auftraten: „Jeder dieser Kondensatoren ließ eigene Funken entstehen. Ich glaube daher, dass damals unzählige Funken über das ganze Luftschiff verteilt auftraten. Einige davon auch dort, wo das Wasserstoffleck war“, erklärt Giapis.
Damit war das katastrophale Ende der „Hindenburg“ eine Verkettung unglücklicher Wetterumstände, gepaart mit einem schwerwiegenden Designfehler. Denn erst die Holzisolierung zwischen Hülle und Rahmen könnte genau das hervorgerufen haben, was die Konstrukteure um jeden Preis vermeiden wollten: die Bildung von Funken.
Quelle: California Institute of Technology