Mysteriöse Farben: Im Jahr 1848 erstellte Edmond Becquerel das erste Farbfoto der Welt – fast 100 Jahre vor der Erfindung des Farbfilms. Doch was sein Foto des Sonnenspektrums so bunt machte, blieb ein ungelöstes Rätsel – bis jetzt. Denn nun haben Forscher das Geheimnis dieser „photochromatischen Bilder“ gelüftet. Hinter deren Farbigkeit stecken demnach weder Pigmente noch Strukturfarben, sondern Nanopartikel, wie sie herausfanden.
Der Farbeindruck eines Objekts, Lebewesens oder Bildes entsteht meist auf eine von zwei Arten. Bei der ersten sind Pigmente im Spiel – Moleküle, die nur bestimmte Wellenlängen des Lichts absorbieren. Die zweite Methode, um Dinge bunt erscheinen zu lassen, sind Strukturfarben. Sie entstehen durch regelmäßig in Rippen, Schichten oder Schuppen angeordnete Nanostrukturen, die das Licht je nach Wellenlänge unterschiedlich brechen. So weit, so klar.
Rätsel um Becquerels Sonnenspektrum
Doch es gibt ein farbiges Bild, das Forschern schon seit mehr als 170 Jahren Rätsel aufgibt. Es handelt sich um eine Fotografie, in der der Forscher Edmond Becquerel im Jahr 1848 das Spektrum des Sonnenlichts einfing. Deutlich sind in dieser Aufnahme farbige Streifen zu erkennen, obwohl diese Fotografie lange vor der Erfindung des Farbfilms oder anderer farbgebender Verfahren entstand.
„Diese erste Farbfotografie entfachte schon im 19. Jahrhundert eine langanhaltende Debatte über den Ursprung dieser Farben“, erklären Victor de Seauve vom Naturgeschichtlichen Museum in Paris und seine Kollegen. Auf der einen Seite standen die Vertreter der Pigmenthypothese, die annahmen, dass Kupferkomplexe und verschiedene Silberverbindungen im Fotofilm für den Farbeindruck sorgten. Auf der anderen Seite standen Wissenschaftler, die dahinter einen Interferenzeffekt durch die Struktur der Silberschicht vermuteten.
Neuer Blick auf alte Technik
Was wirklich hinter den Farben von Becquerels „photochromatischer Abbildung“ steht, haben nun de Seauve und seine Kollegen mithilfe modernster Analysentechnik untersucht. Das Problem dabei: Von den Original-Aufnahmen haben nur wenige überdauert und diese sind extrem verblasst. Allerdings ist es Forschern vor einiger Zeit gelungen, aus Aufzeichnungen Becquerels und mithilfe von Analysen seines Materials den historischen Fotoprozess exakt zu rekonstruieren.
Das ermöglichte es de Seauve und seinem Team nun, Fotografien nach Becquerels Rezept zu erstellen und zu analysieren. Als erstes unterzogen sie das belichtete Fotomaterial verschiedenen Röntgenspektroskopien. Dabei zeigte sich: „Die gesamte lichtsensible Schicht und alle Proben aus den farbigen Bereichen haben die gleiche chemische Zusammensetzung“, berichten die Forscher. Es waren weder Kupferverbindungen noch andere als Pigment wirksame Moleküle nachweisbar. Damit ist die Pigment-Hypothese widerlegt.
Liegt das Geheimnis in der Struktur?
Im zweiten Schritt suchten die Forscher nach Hinweisen auf Strukturfarben. Dafür untersuchten sie die Fotoschicht mittels Elektronenmikroskopie. Sie bestätigte, dass sowohl die farbigen Stellen als auch die restlichen Bereiche des Fotofilms aus Silbernanopartikeln bestehen, die in eine Matrix aus deutlich größeren Silberchloridkörnchen eingebettet sind. Die Nanopartikel sind zwischen fünf und 150 Nanometer groß, wie de Seauve und seine Kollegen ermittelten.
Doch eine Anordnung, die das Licht in seine Wellenlängen aufspalten und so Strukturfarben erzeugen kann, fanden die Forscher nicht. „Die Partikel bildeten keinerlei periodische Strukturen, weder an der Oberfläche der Farbschichten noch in deren Innerem“, berichten sie. Das belege, dass diese Farben nicht durch die Diffusion des Lichts entstanden sein können.
Subtile Unterschiede in der Größenverteilung
Aber wenn es weder Pigmente noch Strukturfarben waren – woher kam der bunte Farbeindruck von Becquerels Aufnahme dann? Des Rätsels Lösung verbirgt sich offenbar in der Größe der Silber-Nanopartikel, wie de Seauve und sein Team feststellten. „Zwar ist ihre Orientierung und Form in allen Farbbereichen die gleiche“, berichten sie. „Aber ihre Größenverteilung unterscheidet sich.“
So fanden die Forscher in den gelben Bildbereichen besonders viele kleinere Nanopartikel zwischen fünf und 25 Nanometern Größe, aber weniger größere von 25 bis 45 Nanometer. In den roten Bereichen waren alle Silberpartikel von mehr als 30 Nanometern Größe komplett verschwunden und nur noch kleinere vorhanden. Blau erschien der Fotofilm dagegen überall dort, wo die Dichte der Nanopartikel insgesamt höher war. Weil diese Verteilungen das Licht jeweils unterschiedlich absorbieren, kommen die Farben zustande.
Plasmone als Farberzeuger
„Diese Ergebnisse erlauben es uns, einen plasmonischen Ursprung für diese photochromatischen Farben zu postulieren“, erklären de Seauve und seine Kollegen. Demnach erzeugte das auftreffende Licht je nach Energiegehalt spezifische Vibrationen in den Silberpartikeln. Diese Schwingungen, sogenannte Plasmone, ließen einige Silberpartikel in kleinere Einheiten zerfallen, andere dagegen verschmolzen miteinander zu größeren Teilchen. (Angewandte Chemie International Edition, 2020; doi: 10.1002/ange.202001241)
Quelle: CNRS