Mysteriöses Blau: Das „Folium-Blau“ schmückte unzählige mittelalterliche Manuskripte und wurde in vielen Texten beschrieben – aber woher ihr Blau kam, blieb unbekannt. Erst jetzt haben Forscher die Struktur dieser Farbe enträtselt. Das überraschende Ergebnis: Das Blau dieser Pflanzenfarbe ist weder ein Anthocyan noch mit Indigo verwandt. Stattdessen erzeugt ein komplexes Alkaloid das tiefe, wasserlösliche Blau – eine ganz neue Art von Blaupigment.
Die Farbe Blau galt in vielen frühen Gesellschaften als etwas Besonderes. Weil dieser Farbton in der Natur eher selten vorkommt, sah man ihn als Farbe des Himmels und der höheren Sphären. Während viele Völker das aus Pflanzen gewonnene Indigo sowie Anthocyane als Grundlage ihrer blauen Farben nutzten, entwickelten die Ägypter vor mehr als 5.000 Jahren bereits das erste künstlich hergestellte mineralische Pigment.

„Die geheimnisvollste aller Künste“
Aber es gibt eine blaue Farbe, die sich bisher allen Analysen entzogen hat. Es handelt sich um eine blaue, wasserlösliche Farbe, die von der Antike bis ins späte Mittelalter häufig zur Illustration von Manuskripten verwendet wurde. In historischen Texten wird zwar beschrieben, dass dieses als Folium oder Tournesol bekannte Pigment aus der Pflanze Chrozophora tinctoria gewonnen wurde. Aber welche chemische Struktur die blaue Pflanzenfarbe hatte, blieb unbekannt.
Einer der Gründe dafür: Die Herstellung dieser blauen Farbe geriet nach dem Ende des Mittelalters in Vergessenheit. Im 19. Jahrhundert beschrieb ein französischer Priester die Produktion des Pigments als eine der geheimnisvollsten Künste: „Diejenigen, die sie herstellen, kennen ihre Anwendung nicht. Die, die von ihr profitieren, wissen nichts über ihre Herstellung und diejenigen, die sie beschrieben haben, erzählten nichts als Lügen.“