Zahnschmelz gehört zu den härtesten biologischen Materialien überhaupt. Zwar war es Forschern gelungen, dessen komplexe Struktur zu entschlüsseln, den Grund für die einzigartige Härte, Festigkeit und Steifigkeit des Zahnschmelzes konnten sie nicht finden – bis jetzt. Denn nun ist ein Hamburger Wissenschaftlerteam diesem Geheimnis der Natur auf die Spur gekommen.
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Als erste Forschergruppe weltweit haben sie die mechanischen Eigenschaften von der Nano- bis zur Makroebene sowohl gemessen als auch berechnet. Sie stellen ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Biomaterials“ vor.
Steifigkeit nimmt mit jeder hierarchischen Ebene zu
Die Forscher der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) um Professor Gerold Schneider entdeckten in ihrer neuen Studie, dass sowohl die Härte und Festigkeit wie auch die Steifigkeit mit jeder hierarchischen Ebene – im Makro-, Mikro- und Nanobereich – zunimmt. Damit haben die Hamburger Wissenschaftler als erste eine Erklärung für die Wirkungsweise des hierarchischen Bauprinzips der Natur gefunden.
„Der Schlüssel für die Stärke des Zahnschmelzes liegt in der Koexistenz harten und weichen Materials“, sagt Schneider. Dies ist zugleich die Grundlage für die Entwicklung neuer synthetischer Materialien mit viel versprechenden Eigenschaften, wie sie bisher nur in der Natur vorkommen.
Eigenschaften von biologischem Material erfasst
„Es ist das erste Mal, dass eine Forschergruppe derart systematisch die Eigenschaften eines biologischen Materials erfasst und bezüglich dessen hierarchischer Strukturierung analysiert hat“, so der Forscher weiter. Der Maschinenbauer leitet an der TUHH das Institut für Keramische Hochleistungsstoffe und ist außerdem Koordinator des Landesexzellenzclusters „Integrated Materials Systems“.
„Die Anerkennung der Fachwelt zeigt uns, dass wir auf diesem noch weitgehend unbekannten Feld offensichtlich auf dem richtigen Weg sind“, sagt Sabine Bechtle, die zusammen mit ihrer Kollegin Siang Fung Ang aus Malaysia seit 2008 in Schneiders Team am Institut für Keramische Hochleistungswerkstoffe forscht. Bechtle und Ang beschäftigen sich vor allem mit hierarchisch strukturierten Werkstoffen, wozu außer Zahnschmelz beispielsweise auch Knochen und Perlmutt zählen.
Höchste Festigkeit auf der Nanoebene
Das Hauptinteresse der Nachwuchswissenschaftlerinnen gilt dabei der grundsätzlichen Frage, ob und inwiefern hierarchische Strukturen die mechanischen Eigenschaften eines Materials beeinflussen. „Wir haben festgestellt, dass die höchste Steifigkeit und Festigkeit auf der Nanoebene vorzufinden ist“, sagt Bechtle. Sie schwärmt von der Ästhetik, die jede dieser hierarchischen Ebenen auszeichnet.
Unter dem Rasterelektronen-Mikroskop in 10.000-facher Vergrößerung betrachtet, zeigt der Querschnitt des Zahnschmelzes auf der untersten Ebene zunächst einzelne Fasern, es folgen Faserbündel und schließlich ein regelrechtes Flechtwerk: das Fasergewebe auf der Mikroebene.
(idw – Technische Universität Hamburg-Harburg, 23.08.2010 – DLO)