Technik

Rekord-Röntgenblick in einen Mikrochip

Neues Verfahren zeigt 3D-Aufbau eines Computerchips bis auf vier Nanometer genau

Räumliche Struktur eines MIkrichips
Blick ins Innere eines Computerchips. In den tieferen Schichten werden die Strukturen der Leiterbahnen immer komplexer – die dortigen Verbindungen benötigen eine Auflösung von wenigen Nanometern, um sichtbar zu werden. © Paul Scherrer Institut PSI/ Tomas Aidukas

Hochaufgelöster Tiefenblick: Ein neues Verfahren überwindet die bisherige Auflösungsgrenze der Röntgentomografie. Sie zeigt erstmals die nur wenige Nanometer kleinen Leiterbahnen eines Mikrochips hochaufgelöst und gleichzeitig in ihrer dreidimensionalen Tiefenstruktur – bisher ging nur jeweils eines von beiden. Möglich wird dies durch eine innovative Variante der Ptychografie, bei der ultrakurze Röntgenpulse die Probe in einem Gitterraster abtasten, wie das Team in „Nature“ berichtet.

Die integrierten Schaltkreise moderner Computerchips umfassen mehr als 100 Millionen Transistoren pro Quadratmillimeter. Die Größe der einzelnen, schichtweise in Silizium geätzten Leiterbahnen liegt im Nanometerbereich. Um sie abzubilden, benötigt man ein Elektronenmikroskop. Das Problem jedoch: Diese dringen nicht in das Chipmaterial ein und zeigen daher nur die Oberfläche. Die 3D-Struktur der fertigen Chips, beispielsweise zur Qualitätskontrolle, lässt sich damit nicht zerstörungsfrei abbilden.

„Um daraus dreidimensionale Bilder zu rekonstruieren, muss der Chip schichtweise untersucht und dabei jede Schicht einzeln im Nanometerbereich abgetragen werden – ein sehr aufwendiges und heikles Verfahren, und der Chip wird dabei zerstört“, erklärt Seniorautor Mirko Holler vom Paul Scherrer Institut (PSI) im schweizerischen Villigen. 3D-Aufnahmen wären dagegen mit der Röntgen-Computertomografie möglich, doch ihre Auflösung reicht bisher nicht für die feinen Chipstrukturen: „Es existieren derzeit keine Röntgenlinsen, die diese Strahlung für die Abbildung solch winziger Strukturen bündeln können“, so Holler.

Ptychografie
Aufbau des Experiments zur Puls-Ptychografie. Die Probe, ein zylinderförmiger Ausschnitt aus einem handelsüblichen Computerchip, wird von der goldfarbenen Nadel in der Mitte des Bildes gehalten. © Paul Scherrer Institut PSI/ Mahir Dzambegovic

Abtast-Raster statt Fokussierlinse

Abhilfe schafft nun ein Verfahren, mit dem Holler und sein Team schon seit einigen Jahren arbeiten: die Ptychografie. Bei diesem Verfahren wird die Probe Nanometer für Nanometer gegen den Röntgenstrahl verschoben. „Unsere Probe wird so bewegt, dass der Strahl einem genau vorgegebenen Raster folgen kann – ähnlich einem Sieb. An jedem Rasterpunkt wird dann jeweils ein Streubild aufgenommen“, erklärt Holler. Der Abstand zwischen den einzelnen Rasterpunkten ist kleiner als der Durchmesser des Strahls, so dass sich die abgebildeten Bereiche überlappen.

Die beim Abtasten der Proben entstehenden Interferenzmuster und Beugungsbilder werden durch spezielle Algorithmen ausgewertet und erst dadurch entsteht ein Bild. Bereits 2017 gelang es dem Team so, erstmals Mikrochip-Strukturen von rund 15 Nanometer Durchmesser abzubilden – ein Rekord. Doch für die modernen Mikrochips war dies noch immer zu grob. Weitere Optimierungen stockten jedoch zunächst. „Wir verbesserten uns vielleicht noch um ein bis zwei Nanometer, aber danach war Schluss. Irgendetwas limitierte uns und wir mussten herausfinden, was das ist“, erklärt Holler.

Kurze Pulse gegen Verwackelungen

Jetzt ist den Physikern der Durchbruch gelungen. Mit einer Auflösung von vier Nanometern stellen ihre Aufnahmen einen neuen Weltrekord auf. Die Lösung fanden Holler und sein Team durch zwei Veränderungen ihrer Ptychografie-Methode: Um die normalen, die Schärfe reduzierenden Fluktuationen des Röntgenstrahls auszugleichen, verkürzten sie die Röntgenbestrahlung auf viele ultrakurze Einzelpulse. Das Prinzip ähnelt dem in der Astrofotografie, in der man Verwackelungen einer Langzeitbelichtung durch mehrere kürzere Aufnahmen umgeht, die dann hinterher computertechnisch addiert werden.

Ähnlich funktioniert dies auch bei dem neuen Ptychografieverfahren: „Unser Algorithmus vergleicht die Strahlpositionen der einzelnen Bilder. Wenn die Positionen übereinstimmen, kommen sie in dieselbe Gruppe und werden dort summiert“, erklärt Erstautor Tomas Aidukas vom PSI. Dieses Gruppieren erhöht den Informationsgehalt der niedrig belichteten Einzelbilder. Ein neu entwickelter, besonders sensitiver und schneller Röntgendetektor ermöglicht es zudem, die gestreuten Röntgenphotonen trotz der kurzen „Belichtungszeit“ räumlich und zeitliche hochaufgelöst einzufangen.

Nützlich für Chipindustrie, Materialforschung und Medizin

„Die Puls-Ptychografie erreicht eine Auflösung von vier Nanometern bei einer 170-mal höheren Aufnahmerate. Konkret sind es 14.000 Auflösungselemente pro Sekunde“, schreiben die Forscher. „Zudem erlaubt uns diese tomografische Methode, zehnmal größere Proben als bisher mit dem konventionellen Sichtfeld abzubilden.“ Weil das Verfahren zudem zerstörungsfrei arbeitet, sind damit sowohl Qualitätskontrollen in der Materialforschung und Chipproduktion möglich als auch Untersuchungen von biologischen Proben.

„Wir erwarten, dass die Kombination von Nanometer-Auflösung und noch höheren Röntgenleistungen an den Röntgenquellen der nächsten Generation revolutionäre Fortschritte in den Feldern von Elektronik bis zu Elektrochemie und Neuroforschung bringen wird“, so Holler und seine Kollegen. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07615-6)

Quelle: Paul Scherrer Institut (PSI)

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