Maschine mit aufrechtem Gang: Der Laufroboter „ATRIAS“ nutzt dasselbe Prinzip wie der Mensch, um auf den Beinen zu bleiben. Anstatt steif vorwärts zu stolpern, lassen seine Entwickler ihn federnd auf zwei Beinen laufen. So kommt „ATRIAS“ auch auf schwerem Gelände und selbst bei Stößen nicht in Schwierigkeiten. Rettungsroboter sollen von diesem System profitieren, meinen die Forscher, aber auch bessere Prothesen für Menschen sollen so bald möglich sein.
Roboter ähneln uns Menschen immer mehr: Sie können ihren Körper bereits durch Schwitzen kühlen, so wie wir es tun, und sie sind oft menschenähnlich genug, dass wir sogar Mitleid mit ihnen fühlen. Doch ein wichtiges Merkmal des Menschen bereitet den Maschinen oft noch Probleme: der aufrechte Gang.
Wenn wir Menschen das Laufen auf zwei Beinen erst einmal gelernt haben, achten wir kaum noch auf den Boden unter unseren Füßen. Kleine Unebenheiten gleicht unser Körper instinktiv aus, ohne dass wir stolpern oder stehen bleiben müssen. Laufende Roboter wie etwa der japanische „Asimo“ laufen im Vergleich dazu eher langsam und steif und verlieren leichter das Gleichgewicht. Außerdem verbrauchen sie sehr viel Energie, um aufrecht auf den Beinen zu bleiben.
Wir fallen von einem Schritt in den anderen
Der Unterschied liegt in der Mechanik des Laufens, erklärt Daniel Renjewski von der Technischen Universität München (TUM): „Wenn wir laufen, fallen wir sozusagen von einem Schritt in den anderen.“ Unser Gang ist zeitweise instabil. Unterbrechen wir das Laufen mitten in dieser fließenden Bewegung, so fallen wir hin.
Bei einem zweibeinigen Roboter ist diese dynamische Bewegung bislang schwer zu steuern: Wo bei uns Muskeln und Sehnen die Unebenheiten des Bodens abfedern, sind die Maschinen einfach zu steif. Um kontrollieren zu können, dass ein Roboter stets stabil ist und nicht umfällt, messen Ingenieure zu jedem Zeitpunkt, wie sich sein Schwerpunkt verschiebt und lassen ihn seine Haltung anpassen. Der Preis für diese genaue Steuerung sind jedoch steife Reaktionen.
Federn statt Muskeln
Um dieses Problem zu überwinden, haben Renjewski und Kollegen einen Roboter entwickelt, dessen Gangart auch in dieser Hinsicht der des Menschen gleicht: Er basiert auf dem erstmals 1989 vorgestellten Feder-Masse-Modell des Laufens auf zwei Beinen. In diesem vereinfachten Modell ist die ganze Masse des Körpers in einem Punkt gebündelt. Eine Feder verbindet diesen Punkt mit dem Boden und steht vereinfacht für Muskeln, Knochen und Sehnen, auf die in der Realität die Kräfte beim Gehen wirken.
Der von den Forschern entwickelte Roboter „ATRIAS“ hat darum keine starren Beine, sondern steht auf federnden „Gliedmaßen“. Damit das theoretische Modell tatsächlich praktisch anwendbar ist, mussten die Forscher jedoch einige Dinge anpassen: Während die Feder im Modell keine eigene Masse hat, wiegt sie in der Realität natürlich durchaus etwas. Außerdem wird mechanische Energie im System durch Reibung teilweise in Wärme umgewandelt, diese Energie steht also nicht mehr für die Bewegung des ganzen Systems zur Verfügung.
Keine Probleme auf unebenem Boden
„ATRIAS“ erhält diese mechanische Energie durch Motoren, insgesamt drei pro Bein. Zwei der Motoren wirken direkt auf die beiden Beinfedern ein. Der dritte Motor sorgt für die seitliche Stabilität des Roboters. Die Beine von ATRIAS machen nur zehn Prozent seiner Gesamtmasse aus, um so nahe wie möglich an die theoretische Masselosigkeit heranzureichen.
Versuche zeigten, dass ATRIAS dreimal so effizient läuft wie andere menschengroße zweibeinige Roboter. Mit unebenem Boden kommt er ohne Probleme zurecht, und selbst ein Schubs oder ein Treffer mit einem Ball kann ATRIAS nicht aus der Balance bringen.
Die Forscher sind sicher, dass diese Art der Fortbewegung sich in Zukunft bei Laufrobotern durchsetzen wird. Wenn die Technologie weiter verbessert wird, könnten Roboter zum Beispiel als Helfer bei der Feuerwehr eingesetzt werden, meinen die Wissenschaftler. Auch Beinprothesen für Menschen könnten sich anhand der gewonnenen Erkenntnisse verbessern lassen. (IEEE Transactions on Robotics, 2015; doi: 10.1109/TRO.2015.2473456)
(Technische Universität München, 02.11.2015 – AKR)