Zum Alltag von Nanotechnologen gehört es, mit ihren Mikroskopen einzelne Atome zu untersuchen. Schwierig zu beobachten waren bislang jedoch Atomstrukturen, die sich im Inneren von organischen Molekülen befanden. Im Fachmagazin „Physical Review Letters“ stellen Jülicher Forscher nun eine neuartige Methode vor, die einen „Röntgenblick“ ins Molekül ermöglicht. Sie könnte es einfacher machen, organische Halbleiter und Proteine zu analysieren.
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Für den Blick in die Nanowelt nutzten die Forscher ein Rastertunnelmikroskop. Dessen dünne Metallspitze fährt wie die Nadel eines Plattenspielers über die Probenfläche und registriert mittels kleinster elektrischer Ströme die atomaren Unebenheiten und Unterschiede von rund einem Nanometer – das entspricht einem Milliardstel Millimeter. Aber selbst wenn die Spitze des Mikroskops nur noch ein Atom breit ist, ließ sich damit bisher nicht in das Innere von Molekülen sehen.
Molekül aus zwei Deuterium-Atomen
„Um die Sensitivität für organische Moleküle zu steigern, haben wir einen Sensor und Signalwandler an die Spitze gesetzt“, erklärt Ruslan Temirov vom Forschungszentrum Jülich. Die beiden Funktionen erfüllt ein kleines Molekül aus zwei Deuterium-Atomen, auch schwerer Wasserstoff genannt. Da es sehr beweglich an der Spitze hängt, kann es den Konturen folgen und beeinflusst die Ströme, die über die Mikroskopspitze fließen.
PTCDA machte den Anfang
Als eines der ersten Moleküle untersuchten Temirov und seine Kollegen die Verbindung Perylentetracarbonsäuredianhydrid (PTCDA). Sie besteht aus 26 Kohlenstoff-, acht Wasserstoff- und sechs Sauerstoffatomen, die sieben zusammenhängende Ringe bilden. In bisherigen Aufnahmen wird es nur als rund ein Nanometer großer konturloser Fleck abgebildet. Das Jülicher Rastertunnelmikroskop lässt – wie auf einer Röntgenaufnahme – jetzt aber die innere, wabenartige Struktur erkennen, die von den Ringen gebildet wird.
„Die bestechende Einfachheit der Methode macht sie für zukünftige Forschung so wertvoll“, sagt Professor Stefan Tautz vom Jülicher Institut für Bio- und Nanosysteme. Die Methode ist mittlerweile zum Patent angemeldet und lässt sich einfach mit kommerziellen Rastertunnelmikroskopen koppeln.
Kalibration der gemessenen Stromstärken
„Die räumlichen Dimensionen im Innern von Molekülen lassen sich jetzt schon in wenigen Minuten bestimmen“, so Tautz weiter, „und die vorherige Präparation der Proben beruht weitgehend auf Standardverfahren.“ Im nächsten Schritt wollen die Jülicher Wissenschaftler noch eine Kalibration der gemessenen Stromstärken vornehmen. Wenn das gelingt, könnte damit aus den gemessenen Stromstärken direkt auf die Art der Atome geschlossen werden.
Quantenmechanisches Wirkprinzip aufgeklärt
Nachdem sie erste Bilder mit dem neuen Verfahren bereits im Jahre 2008 veröffentlicht hatte, konnte die Forschergruppe um Tautz und Temirov nun das quantenmechanische Wirkprinzip des Deuteriums an der Mikroskopspitze erklären. Dabei half auch eine computergestützte Berechnung von Forschern um Professor Michael Rohlfing an der Universität Osnabrück. Die so genannte kurzreichweitige Pauli-Abstoßung, eine quantenphysikalische Kraft zwischen Deuterium und Molekül moduliert die Leitfähigkeit und erlaubt es, sehr sensitiv die feinen Strukturen zu messen.
Das Jülicher Verfahren kann eingesetzt werden, um Struktur und Ladungsverteilung von flachen Molekülen zu vermessen, die als organische Halbleiter oder als Teil von zukünftigen, schnellen und effizienten elektronischen Bauelementen verwendet werden könnten. Aber auch große dreidimensionale Biomoleküle wie Proteine könnten nach Angaben der Forscher untersucht werden – wenn die Methoden verfeinert werden.
(idw – Forschungszentrum Jülich, 20.08.2010 – DLO)