Zum ersten Mal hat eine Raumsonde auf unserem Nachbarplaneten Venus das Hydroxyl-Molekül nachgewiesen. Diese sehr reaktionsfreudige Wasserstoff-Sauerstoff-Verbindung gilt auf der Erde als Waschmittel der Atmosphäre. Den entscheidenden Hinweis brachte den Astronomen das von dem Molekül abgestrahlte Infrarotlicht.
Das Hydroxyl-Radikal besteht aus einem Wasserstoff- und einen Sauerstoffatom. Es ist sehr reaktionsfreudig und kurzlebig und daher schwer nachzuweisen. In der Erdatmosphäre spielt es eine Schlüsselrolle für die Bindung von Luftschadstoffen. Auf dem Mars soll es das Kohlendioxid stabilisieren, indem es verhindert, dass dieses sich in Kohlenstoffmonoxid umwandelt. Gleichzeitig sorgt das aggressive Radikal dafür, dass die obersten Bodenschichten des Roten Planeten quasi sterilisiert und damit für Mikroben extrem lebensfeindlich werden.
Das Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer (VIRTIS) an Bord der ESA-Sonde Venus Express entdeckte das Hydroxyl in den oberen Bereichen der Venusatmosphäre, einige hundert Kilometer über der Planetenoberfläche. Bei einem schrägen Blick auf den sichtbaren Rand des Planeten, dort, wo die Atmosphäre in den Weltraum übergeht, verriet sich das Hydroxyl durch das von ihm abgestrahlte Infrarotlicht. In einem nur rund zehn Kilometer schmalen Band verstärkte sich das Infrarotsignal plötzlich.
Die Infrarot-Abstrahlung des Hydroxyls ist in der Erdatmosphäre eng verbunden mit der Dichte des stratosphärischen Ozons. Nach Ansicht der Astronomen könnte dieser Zusammenhang auch für die Venus bestehen. „Ozon ist ein wichtiges Molekül für jede Atmosphäre”, erklärt Giuseppe Piccioni, Leiter des VIRTIS-Teams vom Astrophysikalischen Institut in Rom. „Denn es ist ein starker Absorbierer der ultravioletten Strahlung der Sonne.“ Die Menge der absorbierten Strahlung wiederum ist ein Schlüsselparameter für die Erwärmung und Dynamik der Planetenatmosphäre.
Hydroxylgehalte schwanken stark
Anhand des Hydroxylgehalts könnte es möglich sein, auf die Ozonmenge in der Venusatmosphäre zu schließen. Die neuen Daten von Venus Express zeigen, dass die Hydroxylgehalte offenbar sehr stark und schnell schwanken: Sie können sich von einer Umkreisung zur nächsten um bis zu 50 Prozent nach oben oder unten verändern. Möglicherweise ist eine starke Fluktuation in den Ozonwerten die Ursache dieser Schwankung. Wie diese Veränderungen die Dynamik der Venusatmosphäre als Ganzes beeinflussen, wollen die Forscher nun mithilfe von Computermodellen ermitteln.
„Venus Express hat uns schon gezeigt, dass die Venus weitaus erdähnlicher ist, als zuvor gedacht“, so Piccioni. „Die Entdeckung von Hydroxyl bringt dies noch einen Schritt weiter. Sie wird uns helfen, unsere Modelle zu verbessern und dazu zu lernen.“
(ESA, 19.05.2008 – NPO)