Physik

Schrödingers Katze im Elektronenmikroskop

Freie Elektronen nehmen mehrere Geschwindigkeiten gleichzeitig an

In der Quantenphysik können Elementarteilchen durch Überlagerung mehrere nach klassischer Physik widersprüchliche Zustände gleichzeitig einnehmen. © iStock.com

Widersinnige Quantenmechanik: So wie „Schrödingers Katze“ im Gedankenexperiment gleichzeitig tot und lebendig ist, kann ein Elektron gleichzeitig unterschiedliche Geschwindigkeiten annehmen. Deutsche Physiker haben nun solche Überlagerungszustände freier Elektronen in einem ultraschnellen Elektronenmikroskop erzeugt. Den Nachweis über die „Geschwindigkeitskontrolle“ der Elektronen beschreiben sie in der Fachzeitschrift „Nature“.

„Schrödingers Katze“ ist ein feststehender Begriff in der Quantenphysik: In dem reinen Gedankenexperiment befindet sich eine Katze zusammen mit einem Gift in einer verschlossenen Kiste. Solange niemand die Kiste öffnet und nachschaut, ist die Katze nach quantenmechanischer Sicht gleichzeitig tot und lebendig. Dies illustriert, wie sich ein System in der Quantenphysik auf scheinbar absurde Weise gleichzeitig in zwei Zuständen befinden kann, die einander eigentlich ausschließen.

Gleichzeitig mehrere Geschwindigkeiten

Wissenschaftler um Claus Ropers von der Georg-August-Universität Göttingen beschränken sich nicht nur auf Gedankenexperimente. Allerdings muss bei ihnen keine Katze sterben: Anstelle von Haustieren verwenden die Physiker Elektronen. In einem neu entwickelten ultraschnellen Elektronenmikroskop lassen sie kurze Pulse dieser Elementarteilchen mit intensiven Lichtfeldern wechselwirken.

Dabei werden die Elektronen entweder schneller, oder das Feld bremst sie ab: „Wir beobachten, dass die Elektronen dabei Photonen aus dem Lichtfeld aufnehmen oder an dieses abgeben können, und dabei an Geschwindigkeit gewinnen oder verlieren“, erklärt Ropers. Allerdings sei quantenmechanisch nicht festgelegt, wie viele Photonen dabei ausgetauscht werden.

Geschwindigkeitskontrolle für Elektronen

Das führt zu einer nur schwer vorstellbaren und in der klassischen Physik unmöglichen Situation: Quantenmechanische Überlagerungszustände führen dazu, dass sich ein Elektron gleichzeitig mit mehreren unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen kann – solange man ihre Geschwindigkeit nicht direkt misst. Auf makroskopischer Ebene ist das so widersinnig, als ob ein Auto zur selben Zeit mit 30, 50 und 100 Kilometern pro Stunde fahren würde.

Im Moment einer Radarkontrolle stünde allerdings fest, wie schnell es tatsächlich war. Ähnlich lassen sich die verschiedenen Geschwindigkeiten mit dem Elektronenmikroskop nachweisen: Je nachdem, wie stark die Lichtintensität des Feldes ist, schwankt die Verteilung der Elektronen in sogenannten „Rabi-Oszillationen“. Die erfolgte Messung ordnet schließlich jedem Elektron eine einzelne Geschwindigkeit zu.

Dynamische Prozesse auf mikroskopischer Skala

Auf der Grundlage dieser Messungen sagten die Physiker voraus, dass sich ein einzelner manipulierter Elektronenpuls so in eine Art zeitlichen Kamm verformt. Je nach Geschwindigkeit treffen die Elektronen nacheinander am Detektor ein, jede Zacke dieses Kamms entspricht einer Gruppe von Elektronen mit derselben Geschwindigkeit.

Die einzelnen Zacken sind jeweils kürzer sind als hundert Attosekunden. Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer Milliardstelsekunde. „Die Attosekunden-Kammstruktur müssen wir zukünftig noch experimentell zeigen“, sagt Erstautor Armin Feist von der Universität Göttingen. „Unabhängig davon ermöglicht unser neu-entwickeltes ultraschnelles Elektronenmikroskop aber heute schon, viele dynamische Prozesse auf der mikroskopischen Skala anzuschauen.“ (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature14463)

(Georg-August-Universität Göttingen, 19.05.2015 – AKR)

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