Recycling auf neue Art: Ein kleines Molekül könnte dabei helfen, Seltenerdmetalle wie Europium effizient aus Elektroschrott wiederzugewinnen – auf verblüffend einfache Weise. Denn das schwefelhaltige Komplexmolekül reagiert in einem Schritt und schon unter normalen Bedingungen mit dem Europium und trennt es zu 99 Prozent von anderen Seltenerd-Elementen ab, wie Experimente belegen. Dies könnte helfen, beispielsweise Europium aus alten Energiesparlampen oder auch aus Erz zu gewinnen.
Seltene Erden wie Neodym, Praseodym oder Ytterbium sind begehrte Rohstoffe für die Hightech-Welt, denn sie stecken in Handys, Computern, Elektroautos und unzähligen anderen Technologien. Die EU und die USA haben diese zu den Lanthanoiden gehörenden Elemente bereits als kritische Rohstoffe eingestuft – auch weil die weltweite Nachfrage im Zuge der Energiewende um ein Mehrfaches steigen wird. Zudem stammen diese Rohstoffe bisher fast ausschließlich aus China. Erst kürzlich wurden auch in Europa größere Seltenerdvorkommen entdeckt.
Seltenerd-Recycling ist teuer und ineffizient
Das Problem: Die Gewinnung und Auftrennung der einander sehr ähnlichen 17 Seltenerd-Elemente ist aufwendig und teuer. Dies hemmt sowohl die Gewinnung aus Roherzen als auch das Recycling dieser Metallrohstoffe, beispielsweise durch das Flash-Joule-Heating. „Bestehende Trennverfahren beruhen auf Hunderten von sogenannten Flüssig-Flüssig-Extraktionsschritten und sind ineffizient“, erklärt Erstautorin Marie Perrin von der ETH Zürich. Das macht das Recycling so teuer, dass die Rückgewinnungsquote für Seltene Erden bisher bei weniger als einem Prozent liegt.
Perrin und ihre Kollegen haben daher gezielt nach einem chemischen Helfer für die Abtrennung des Seltenerdmetalls Europium aus Erz oder Elektroschrott gesucht. „Unter den Seltenerdmetallen sticht Europium durch seine Seltenheit heraus, in gängigen Erzen liegt seine Konzentration nur bei 0,05 bis 0,1 Gewichtsprozent“, erklärt das Team. Weit günstiger und praktikabler wäre daher die Rückgewinnung des Europiums aus Elektroschrott wie Flachbildschirmen oder ausgemusterten Energiesparlampen.
„Pro Tonne enthalten ausgediente Energiesparlampen rund 230 Kilogramm Seltenerdmetalle – 17-mal mehr als natürliche Erze“, so Perrin und ihre Kollegen. Doch auch diese Rohstoffe müssen erst einmal extrahiert werden.
Simples Komplexmolekül als Abtrennhelfer
Eine mögliche Lösung für dieses Problem könnte nun ein kleines, anorganisches Komplexmolekül bieten: Tetrathiowolframat (WS42-). Diese Verbindung aus vier Schwefelatomen, die ein Wolframatom einschließen, kann Elektronenübertragungsreaktionen anstoßen, die beispielsweise auch manche Enzymreaktionen im Körper erleichtern. Dabei wird der Reaktionspartner – meist ein Metall – reduziert.
Der Clou dabei: Weil Europium von allen Seltenerd-Elementen das höchste Reduktionspotenzial besitzt, müsste es bevorzugt mit dem Tetrathiowolframat reagieren – so die Überlegung des Chemiker-Teams. Dabei wird das Europium reduziert und wandelt sich vom löslichen Ion in eine unlösliche kristalline Verbindung um. Als Folge müsste das Europium auch aus gemischten Seltenerd-Lösungen als erstes ausfallen und so abtrennbar werden.
Von leuchtend gelb zu dunkelrot
Ob diese Methode auch in der Praxis funktioniert, testeten Perrin und ihr Team anhand von Energiesparlampen-Elektroschrott. Diese wurden zunächst zerkleinert und die Metallbestandteile mittels Säuren herausgelöst, gefiltert und getrocknet. Das Resultat war ein graues Pulver, das aus verschiedenen Metallverbindungen, darunter auch Europium und Yttrium im typischen Verhältnis von 1 : 13 besteht. Nun folgte der entscheidende Schritt: Das Pulver wird in eine Tetrathiowolframat-Lösung gegeben.
Die Reaktion erfolgte prompt: „Dies führte zu einer unmittelbaren Farbveränderung (der Lösung) von leuchtend gelb zu dunkelrot“, berichtet das Chemikerteam. „Unter Tageslicht und bei Raumtemperatur bildete sich dann sehr schnell ein goldbrauner Niederschlag.“ Dieses ausgefällte, kristalline Material erwies sich als Komplexverbindung, die von allen in der Lösung enthaltenen Metallen nur das Europium gebunden hatte. Die Trennung von Yttrium erfolgte dabei mit 99,8-prozentiger Effizienz, wie die Forschenden ermittelten.
Hohe Effizienz in nur einem Schritt
Nach Ansicht der Forschenden eröffnet diese Methode damit ganz neue Möglichkeiten für das Seltenerd-Recycling. „Damit gewinnen wir Europium in wenigen einfachen Schritten – und das in Mengen, die mindestens 50-mal höher sind als mit bisherigen Trennmethoden“, sagt Perrin. Die Methode sei zudem so einfach und robust, dass ein Großteil der bisher beim Seltenerd-Recycling nötigen Vorbehandlungsschritte entfallen können.
Die Chemiker haben ihr Verfahren bereits patentiert und wollen es nun praxistauglich machen und auf den Markt bringen. Parallel dazu arbeiten sie bereits daran, dieses Molekül-basierte Trennverfahren auch für weitere Seltene Erden wie Neodym und Dysprosium anzupassen. „Wir erwarten, dass dieser Ansatz für eine breite Palette von Quellen und Anwendungen von Seltenerd-Elementen interessant sein könnte“, so Perrin und ihre Kollegen. (Nature Communications, 2024; doi: 10.1038/s41467-024-48733-z)
Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)