Tödliche Riesenwellen: Monsterwellen auf hoher See türmen sich plötzlich und scheinbar aus dem Nichts auf. Doch nun haben Forscher ermittelt, dass diese seltenen Ausreißer keineswegs immer unberechenbar sind. Zumindest die Riesenwellen auf See folgen demnach durchaus bestimmten Gesetzmäßigkeiten. Bis zu einer praktischen Monsterwellen-Vorhersage ist es allerdings trotzdem noch ein weiter Weg, so die Physiker im Fachmagazin „Physical Review Letters“.
Sie gelten als unberechenbare Gefahr der Meere: Wie aus dem Nichts bilden sich auf offener See plötzlich Riesenwellen, die bis zu dreimal höher sind als die normalen Wellen. Sie können selbst große Schiffe in Gefahr bringen, etliche bis heute verschollene Schiffe gehen vermutlich auf ihr Konto. Zwar ist es Forschern vor einigen Jahren gelungen, die Entstehung dieser Wellen im mathematischen Modell nachzubilden und auch im Laborversuch ließen sie sich erzeugen, aber ob es auch auf hoher See ein Vorwarnzeichen gibt, blieb bisher unklar.
Riesenwellen auch in optischen Systemen
Simon Birkholz vom Max-Born-institut in Berlin und seine Kollegen haben nun drei verschiedene Fälle von „Ausreißern“ wie den Monsterwellen genauer untersucht. Der erste ist die Riesenwelle, die im Januar 1995 die Ölplattform Draupner vor der norwegischen Küste traf. Sie ragte mehr als doppelt so hoch auf wie die Wellen vor und nach ihr.
Der zweite ist das Verhalten eines Laserstrahls, der durch eine gasgefüllte Zelle strahlt und dessen Intensität dabei durch die Gasturbulenzen beeinflusst wird. „Monsterwellen“ entstehen hier, wenn die Turbulenzen den Laserstrahl plötzlich aufblitzen lassen. „In diesem System finden wir Ereignisse, die die normale Wellenhöhe um den Faktor zehn übertreffen“, berichten die Forscher. Beim dritten Fall – ebenfalls aus der Optik – handelt es sich um Lichtstrahlen in einem speziellen Resonator.
Zwei Arten von Monsterwellen
Die vergleichende Analyse enthüllte Überraschendes: „Es scheint mindestens zwei verschiedene Arten von Monsterwellen zu geben“, berichten Birkholz und seine Kollegen. Eine, die durchaus vorhersehbar ist und eine weitere, die komplett zufällig und damit auch unvorhersehbar ist. Ozeanwellen und die Intensitätswellen in der gasgefüllten Laserkammer werden demnach durch Turbulenzen beeinflusst und sind daher – wenn auch in Maßen – vorhersehbar. Beim dritten Fall aber kommen die Wellen-Ausreißer allein durch das Quantenrauschen zustande und sind daher komplett chaotisch, wie die Forscher erklären.
Für die Riesenwellen im Ozean bedeutet dies, dass sie anders als bisher angenommen nicht komplett zufälliger Natur sind. „Im Prinzip sind Monsterwellen zumindest in kurzen Zeiträumen vorhersagbar“, so die Forscher. Es stimmt daher nicht ganz, dass sie „aus dem Nichts erscheinen und ohne eine Spur wieder verschwinden“, wie oft behauptet wurde. Nichtsdestotrotz ist eine praktische Vorhersage noch weit entfernt und mag bestenfalls eine Warnung in allerletzter Minute vor diesen Ausreißern der Natur ermöglichen. (Physical Review Letters, 2015; arXiv:1503.00706)
(Forschungsverbund Berlin e.V., 05.06.2015 – NPO)