Offenbar haben Ornithologen bisher die Flugleistungen von Singvögeln dramatisch unterschätzt, wie eine neue in „Science“ veröffentlichte Studie zeigt. Mithilfe von winzigen Geoortungs-„Rucksäcken“ verfolgten die Forscher erstmals die Wanderung der Tiere detailliert und vollständig.
Singvögel sind bekannte und beliebte Bewohner unserer Gärten, Parks und Wälder. Doch die allgegenwärtigen Sänger bergen noch einige Geheimnisse. So ist durch Beringung zwar einigermaßen klar, wo die Zugvögel unter ihnen die Wintermonate verbringen, doch was während des Hin- und Rückflugs passiert, war bisher kaum bekannt, weil die Tiere zu klein sind, um sie durch Satellitentracking zu verfolgen.
Ortungsgerät als Rucksack
Doch jetzt haben Wissenschaftler der Universität von York mithilfe von miniaturisierten Geoortungsgeräten einen Durchbruch erreicht. Die mithilfe von dünnen Riemen auf dem Rücken der Vögel montierten Geräte registrieren Licht und Dunkel und geben damit Aufschluss über die Auf- und Untergangszeiten der Sonne am jeweiligen Aufenthaltsort der Tiere. Daraus können die Forscher dann den Längen- und Breitengrad und damit den Standort ermitteln.
Entwickelt wurde das miniaturisierte Geoortungsgerät kurioserweise von Polarforschern des British Antarctic Survey. „Sie hatten nicht wirklich daran gedacht, dieses an Singvögel zu befestigen, aber als ich die Technologie sah, wusste ich, wir können das nutzen“, erklärt Bridget Stutchbury, Professorin für Biologie an der Universität von York. „Niemals zuvor war es möglich, Singvögel auf ihrer gesamten Zugstrecke zu verfolgen – bis jetzt.“
Stutchbury und ihr Team rüsteten 14 Walddrosseln und 20 Purpurschwalben in deren Brutgebieten in Pennsylvania mit den „Rucksäcken“ aus und konnten so deren Flug in die Winterquartiere in Südamerika zurückverfolgen. Die Daten aus den Ortungsgeräten sorgten für Überraschung. Denn diese zeigten, dass die Singvögel teilweise mehr als 500 Kilometer pro Tag zurückgelegt hatten – bisher hatte man 150 Kilometer als Maximum angesehen.
Flugtempo im Frühjahr am höchsten
Insgesamt entpuppte sich die Wanderungsgeschwindigkeit beim Rückflug im Frühjahr zudem als zwei bis sechs Mal höher als der Hinflug im Herbst. So benötigte eine Purpurschwalbe im Herbst 43 Tage, um ihr Winterquartier in Brasilien zu erreichen, im Frühjahr dagegen kehrte sie in nur 13 Tagen in ihr Brutgebiet zurück. „Wir waren absolut geplättet über die Flugzeiten bei der Frühjahrsrückkehr“, erklärt Stutchbury. „Dass ein Vogel am 12. April Brasilien verlassen kann und bereits am Ende des Monats zuhause ankommt, war einfach erstaunlich. Wir haben immer angenommen, dass sie bereits irgendwann im März losfliegen.“
Mehr Zwischenstopps im Herbst
Es zeigte sich, dass die Tiere bei der Herbstwanderung häufiger längere Zwischenstopps einlegten. So blieben die Purpurschwalben drei bis vier Wochen auf der Halbinsel Yucatan, bevor sie ihren Flug nach Brasilien fortsetzten. Einige Walddrosseln verbrachten eine bis zwei Wochen im Südosten der USA bevor sie den Golf von Mexiko überquerten.
Überwinterungsgebiete wichtig für Artenschutz
Und noch eine neue Erkenntnis erbrachten die Daten: Entgegen bisherigen Annahmen verbringen Singvögel aus einem Brutgebiet ihren Winter nicht weit verteilt, sondern bleiben auch im Winterquartier meist in der gleichen Region. Im Falle von fünf Walddrosseln war dies ein schmales Band im Osten Honduras’ und Nicaraguas.
„Das Tracking von Vögeln in ihre Überwinterungsgebiete ist auch entscheidend, um die Auswirkung des Verlusts tropischer Lebensräume und des Klimawandels abschätzen zu können“, so Stutchbury. „Bisher waren unsere Hände gebunden, weil wir nicht wussten, wohin die Vögel flogen. Jetzt ist klar, dass diese Region offensichtlich wichtig für die Erhaltung der Walddrosseln ist, einer Art, die seit 1966 um 30 Prozent zurückgegangen ist.“
(University of York, 18.02.2009 – NPO)