Technik

Skurril: Plastikwürfel als mechanischer Computer

Geometrische Kunststoffkonstruktion kann Daten speichern und Logikoperationen durchführen

mechanischer Computer aus Plastikwürfeln
Diese scheinbar simple Anordnung höhenverstellbarer Plastik-Würfel ist der Prototyp eines neuartigen mechanischen Computers. © Yanbin Li/ North Carolina State University

Mit Plastikwürfeln rechnen: Ein simples Konstrukt aus beweglich verknüpften Kunststoffwürfeln kann zum mechanischen Computer werden, wie US-Forscher anhand eines Prototyps demonstrieren. Ihr „Würfel-Rechner“ speichert Daten in Form geometrischer Muster, kann aber auch logische Rechenoperationen wie UND und ODER durchführen. Möglich wird dies durch eine spezielle Form der Faltbarkeit dieser Würfel, die multistabile Zustände erlauben, wie das Team in „Science Advances“ erklärt.

Wenn es um die Datenverarbeitung geht, sind digitale, elektronische Computer bisher die Methode der Wahl. Allerdings gibt es auch andere Systeme, die Rechenoperationen ausführen oder Daten speichern können – die Spanne reicht von Quantencomputern über photonische Systeme und Metamaterialien bis zu analogen Computern und mechanischen Rechenwerken. Sogar simple Wassertropfen lassen sich zum Computer umfunktionieren.

Würfelposition als mechanisches Bit

Eine weitere skurrile Form des Rechnens haben nun Forscher der North Carolina State University um Yanbin Li entwickelt. Basis ihres neuartigen mechanischen Computers bildet eine Konstruktion aus miteinander gekoppelten Plastikwürfeln. Diese jeweils einen Zentimeter kleinen Grundbausteine sind über dünne, elastische Bänder so miteinander geknüpft, dass sie bei mechanischem Zug in verschiedenen Positionen einrasten. Inspiriert ist ihre Kopplung von der japanischen Papierfalttechnik des Kirigami, mit der sich selbst komplexe dreidimensionale Strukturen erzeugen lassen.

„Jedes der bistabilen Elemente kann als unabhängige Binär-Einheit fungieren, indem es nach oben einrastet – Zustand 1 – oder nach unten – Zustand 0“, erklären die Forscher. Durch die kontrolliert reversible Kombination der Würfel-Positionen ergibt sich eine digitale Information. Gesteuert wird das Umspringen der mechanischen Bits durch Ziehen an den gekoppelten Würfeln, möglich ist aber auch eine Steuerung durch Magnetfelder, wie das Team erklärt.

So funktioniert der Prototyp des mechanischen Computers aus Kirigami-Plastikwürfeln.© North Carolina State University

Datenspeicher und Logikgatter

„Unser Design erweitert damit die mechanische Binärlogik erstmals in die dreidimensionale Form. Solche physikalischen binären Elemente können für das kombinatorische Schreiben von Information eingesetzt werden, aber auch zum Datenlöschen, -lesen oder als Voxel für das Informations-Display“, schreiben die Forscher. Mit ihrem Prototyp haben Li und sein Team beispielsweise Logikgatter für „UND“ und „ODER“-Operationen hergestellt. Die UND-Operation kommt dadurch zustande, dass eine auf die Würfel gelegte Platte erst dann stabil und eben ist, wenn mindestens drei Würfel-Bits im hohen „1“-Zustand sind.

UND-Logikgatter
Beispiel für ein „UND“-Logikgatter mit dem Prototyp des Würfel-Computers. © Li et al./ Science Advances, CC-by 4.0

Durch Kombination mehrere Einheiten von jeweils 64 solcher „Würfel-Bits“ können zudem Konstrukte entstehen, die mehr Daten speichern oder kompliziertere Rechenoperationen durchführen können. „Schon in der binären Variante – in der die Würfel nur oben oder unten einrasten – kann eine einfache Metastruktur aus neun 64-Bit-Funktionseinheiten mehr als 362.000 mögliche Konfigurationen haben“, erklärt Li.

Dank der Kirigami-Kopplung ist der mechanische Rechner auch über das binäre Rechnen hinaus erweiterbar. Dann rasten die Würfel-Bits nicht mehr nur in zwei verschiedenen Zuständen ein, sondern in mehr. „Wir haben im Rahmen unseres Proof-of-Concept gezeigt, dass die Würfel auch fünf oder sogar mehr verschiedene stabile Zustände einnehmen können“, so der Forscher. „Theoretisch bedeutet dies, dass jeder Würfel nicht nur eine Null oder Eins repräsentieren kann, sondern auch eine 2, 3 oder 4.“

In miniaturisierter Form vielseitig anwendbar

Nach Ansicht von Li und seinen Kollegen erweitert ihre Erfindung damit das Spektrum mechanischer Computer und Datenspeicher. So könnten ihre im Prototyp noch relativ großen Würfel-Bits bis in den Mikromaßstab verkleinert werden und dadurch eine höhere Informationsdichte erhalten. „Neben Datenspeichern sind auch andere Anwendungen denkbar wie mikroelektromechanische Systeme (MEMS), haptische Displays oder rekonfigurierbare Metaoberflächen für akustische Wellenleiter, den Teilchentransport oder die direktionale Durchflusskontrolle“, erklären die Wissenschaftler.

Auch für die dreidimensionale, mechanische Verschlüsselung oder Entschlüsselung von Daten sei der mechanische Würfelrechner nutzbar. „Eine spezifische Konfiguration der Würfeleinheiten könnte dann als 3D-Passwort dienen“ sagt Li. Er und sein Team suchen nun nach Kooperationspartnern, die entsprechende Programmcodes für solche Architekturen schreiben und so das Potenzial der Würfelrechner besser ausloten können. (Science Advances, 2024; doi: 10.1126/sciadv.adk7220)

Quelle: North Carolina State University

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