Wie klingt ein Higgs? Erstaunlich melodiös – jedenfalls wenn man sich die erste Umsetzung der CERN-Ergebnisse in Musik anhört. Physiker wandelten dafür mit Hilfe eines Algorithmus die Kollisionsdaten des Teilchenbeschleunigers in Noten um. Herauskam ein kurzes Stück, dass sie zur Feier des 60-jäjhrigen CERN-Jubiläums mit verschiedenen Instrumenten umsetzten. Die Idee ist skurril, das Ergebnis durchaus hörenswert
Dass Physik und Musik eng miteinander verwandt sind, wusste bereits der griechische Gelehrte Pythagoras. Er erkannte, dass Saiten eines Instruments je nach Tonhöhe in einer bestimmten Frequenz schwingen. So entspricht der Kammerton a beispielsweise einer Frequenz von 440 Hertz. Durch Experimentieren fand Pythagoras auch heraus, dass eine Teilung der Saiten in einem bestimmten Verhältnis, beispielsweise im Verhältnis 2:3 oder 3:4, besonders wohltönende Intervalle hervorrief. Diese mathematisch-physikalische Basis liegt bis heute unseren Tonleitern und Tonarten zugrunde.
Algorithmus rechnet Werte in Noten um
Dieses enge Verhältnis von Physik und Musik nutzten nun auch Forscher des CERN in Genf aus. Ihre Idee: Die Werte, die zur Entdeckung des Higgs-Bosons führten, in Musik zu übertragen. Ausgangspunkt für diese Umwandlung war das Diagramm, das die Physiker der ATLAS-Kollaboration am 4. Juli 2012 der Öffentlichkeit vorgestellt hatten. Es zeigt die Anzahl der Kollisionsereignisse über die Masse aufgetragen, bei der bestimmten Teilchen entstanden. Bei einer als Energie ausgedrückten Masse von rund 126 Gigaelektronenvolt war ein deutlicher Buckel in der Kurve zu sehen – ein starkes Indiz für das lange gesuchte Higgs-Boson – das Teilchen, dass allen anderen ihre Masse verlieh.
Um diese Daten in Musik umzuwandeln, entwickelten die CERN-Forscher um den Physiker und Komponisten Domenico Vicinanza einen Algorithmus, der die im Diagramm dargestellten Werte auf Basis zweier einfacher Regeln in Noten umsetzt: Ein bestimmter Wert steht immer für die gleiche musikalische Note. Der Wert 25 beispielsweise entspricht immer einem C. Eine Auf- und Abwärtsbewegung in den Daten ergibt auch in der Musik einen Tonsprung, je größer der Datensprung, desto größer das Tonintervall.
Von der Rohpartitur zur „Chamber Music“
Diese erste Umwandlung ergab eine Art Rohpartitur. Auf dem Klavier gespielt, klingt diese Melodie aber schon durchaus wie „echte“ Musik. Auf Basis dieser Rohversion entstand dann das Stück „LHC Chamber Music“, das CERN-Physiker und Techniker auf verschiedenen Instrumenten und in den Detektoren des LHC spielend anlässlich des 60-jährigen Jubiläums des Forschungszentrum aufnahmen und vor wenigen Tagen vorstellten.
„Wir glauben, dass diese musikalische Interpretation der LHC-Daten Menschen dabei helfen kann, die Komplexität und Schönheit dieser Entdeckung besser zu verstehen und nachzuempfinden“, erklären die CERN-Forscher in ihrem Blog LHC Open Symphony. Gleichzeitig könne diese Form der Umsetzung von Werten in Töne aber auch in ganz praktischer Hinsicht nützlich sein: So vermittle sie auch einem blinden Forscher die Messergebnisse mitsamt Sprüngen und Ausreißern.
(CERN/ LHC Open Symphony, 02.10.2014 – NPO)