Ob Standortanalyse, Routenplanung oder Architekturentwürfe – der Geoinformationsmarkt entwickelt sich rasant. Doch raumbezogene Geodaten ermöglichen nicht nur die Analyse gegenwärtiger oder zukünftiger Entwicklungen, sondern sie gestatten auch einen Blick in die Vergangenheit. Anhand historischer Dokumente gelang es nun, die räumliche Ausdehnung der Stadt Halle an der Saale multimedial zu analysieren und als Internetkarte sowie interaktive Lernmodule aufzubereiten.
„Von alten kartographischen Darstellungen geht nach wie vor eine große Faszination aus“, erklärt Christian Dette von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. „Doch moderne Verfahren der digitalen Kartographie gestatten es heute, dieses historische Material auch räumlich aufzuarbeiten und adäquat zu präsentieren. Um dem multimedialen Anspruch heutiger Kartographie gerecht zu werden, stellt sich dabei die Frage, in wie weit sich historische Inhalte für Wissenschaft und Öffentlichkeit extrahieren und vor allem geeignet präsentieren lassen“, erläutert Dette.
Wachstum der Stadt im Rückblick
Aus Anlass des 1.200-jährigen Stadtjubiläums der Stadt Halle(Saale) wurde daher eine historisch-kartographische Untersuchung der Entwicklung des Stadtgebietes vorgenommen. Die Wissenschaftler von der Arbeitsgruppe Kartographie und Geofernerkundung wollten sowohl das Wachstum der Stadt aufzeigen, als auch den Entwicklungsprozess statistisch auswerten. Im Vordergrund der Betrachtung standen vor allem Veränderungen in der Flächennutzung als auch in den Flussnetzen.
Den Anfang bildete dabei die Recherche von über 100 Kartendarstellungen aus den Jahren 1650 bis heute. Dabei konnten die Forscher auf den außerordentlich reichhaltigen Fundus an historischen Karten der Stadt Halle zurück greifen. Erschwerend kam jedoch hinzu, dass nahezu flächendeckende Darstellungen des heutigen Stadtgebietes erst ab dem 19. Jahrhundert zu finden sind. Hieraus wurden schließlich 40 Karten ausgewählt und mit digitalen Verfahren umfangreich bearbeitet.
Historisches Karten-Puzzle
„Die verwendeten Kartenwerke sind in ihrer inhaltlichen Darstellung und räumlichen Genauigkeit äußerst unterschiedlich“, erläutert Dette die Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung. „Das erforderte eine intensive Auseinandersetzung mit den historischen Zeichenvorschriften und Signaturen.“ Aber auch die Kenntnis damals verwendeter Koordinatensysteme und deren mathematische Grundlagen waren für die genaue Auswertung unerlässlich.
„Erschwerend kam hinzu, dass sich – entsprechend dem technischen Stand der jeweiligen Zeit – ein ungenauer Kartendruck oder das Alter des Kartenpapiers nachteilig auswirken können“, so Dette. Aber auch das Vervielfältigen und Scannen der Originale birgt gewisse Fehlerquellen, da sich hierdurch zusätzlich Ungenauigkeiten einschleichen können. Doch durch aufeinander aufbauende digitale Arbeitsschritte gelang es schließlich, die alten Karten an die aktuellen Grundlagen anzupassen.
Internetkarten und Lernmodule
„Um eine universelle Präsentation der Ergebnisse zu ermöglichen, haben wir die Inhalte dann in unterschiedlichen Detail- und Interaktionsstufen webtauglich aufbereitet“, beschreibt Dette die weiteren Arbeitsschritte. Auf diese Weise entstanden eine Internetkarte mit allen gängigen Funktionen eines Geoinformationssystems (GIS), mehrere interaktive Lernmodule sowie eine so genannte „Kioskvariante“ mit einer Ein-Knopfbedienung.
Im Interesse von Interaktionsmöglichkeit und Detailgenauigkeit wurde großer Wert auf Inhalt und Funktionalität in Bezug auf verschiedene Zielgruppen gelegt. „Die Benutzerfreundlichkeit der Module konnte inzwischen im Rahmen mehrerer Ausstellungen getestet werden“, erklärt Dette stolz. „Mithilfe der interaktiven Aufbereitung der urbanen Siedlungsentwicklung der Stadt Halle ist es uns gelungen, eine Basis für weitere Präsentationen im häufig schwierigen Grenzbereich zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu schaffen.“
Link:
Stadt- und Siedlungsentwicklung Halle (Saale)
(Christian Dette, Institut für Geowissenschaften der Universität Halle-Wittenberg, 03.08.2007 – AHE)