Eine tiefgefrorene Sammlung von Stammzellen soll die weltweite Artenvielfalt der Wildtiere konservieren helfen. Das „CRYO-BREHM“-Projekt lagert Zellproben von bedrohten, aber auch von noch verbreiteten wildlebenden Tieren an zwei Orten und dient so als Archiv des genetischen Bestands.
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Den weltweiten Tierbestand möglichst umfassend zu dokumentieren, war schon immer eine Herausforderung für die Wissenschaft und eine Verpflichtung gegenüber den nachfolgenden Generationen. Das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT im Saarland und die Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie EMB in Lübeck haben nun einen modernen Weg gewählt, um die immer weiter bedrohte Artenvielfalt zu konservieren.
Konserviert bei minus 145 Grad
Zusammen mit mehreren zoologischen Gärten gründeten sie den „CRYO-BREHM“, ein Lebendarchiv, das seit Anfang 2005 tiefgefrorene Stammzellen von Wildtieren sammelt. „Das Tieffrieren ist die einzige Möglichkeit, Zellen lebend und dauerhaft aufzubewahren. Ganze Tiere, die größer sind als ein Stecknadelkopf, kann man bisher nicht lebend einfrieren und auftauen. Das ist auch nicht nötig, da sich in jeder Zelle die gesamte Information über die Art als auch das Individuum befindet“, erklärt der IBMT-Direktor Professor Günter R. Fuhr.
Die beiden Fraunhofer-Einrichtungen gelten als weltweit führend auf dem Gebiet der Kryokonservierung. „Kryos“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet Kälte oder Eis. Bei minus 145° Celsius, mit flüssigem Stickstoff gekühlt, bleiben die wertvollen Proben Tausende von Jahren erhalten. Würde man sie unter der Erdoberfläche lagern, wo die kosmische Strahlung stark abgeschwächt ist, wären es sogar Jahrzehntausende.
Stammzellen als Informationsträger
Die Vorgeschichte des CRYO-BREHM geht auf das Jahr 2004 zurück. Damals schuf eine EMB-Arbeitsgruppe unter der Leitung von Professor Charli Kruse mit einem patentierten Verfahren zum Isolieren tierischer Stammzellen aus den verschiedensten Geweben die Voraussetzung für das biologische Zell-Archiv. Stammzellen eignen sich für diesen Zweck besonders gut, weil sie nicht nur alle Erbinformationen der jeweiligen Art enthalten, sondern sich auch vermehren und in andere Zelltypen umwandeln lassen.
Vorgesehen ist, ein möglichst umfangreiches Zell-Archiv der wildlebenden Tiere aufzubauen. Stammzellen aus den verschiedensten Geweben – von Fischen über Vögel bis zu Säugetieren – liegen bereits vor. „Kein Tier muss dafür sterben oder auch nur Blut hergeben“, versichern Fuhr und Kruse. Spender für die Datenbank sind Zoo- und Wildtiere, die bei einem Unfall umkommen oder bei der Geburt sterben. Ihnen entnimmt ein Tierarzt nach dem Tod Gewebe, zum Beispiel Drüsen, Haut und Knochenmark, aus dem dann die unterschiedlichen Stammzellen mit der Erfahrung der Lübecker Forscher isoliert werden.
Wenn es um Tierarten geht, die vom Aussterben bedroht sind oder bei deren Stammzellpräparation Neuland betreten wird, schickt das Fraunhofer IBMT eigens ein mobiles Labor mit Mannschaft, das über Brutschränke und Kryotanks verfügt. Auch während der Fahrt kann in speziellen Geräten trotz Erschütterungen die Anzucht der empfindlichen Stammzellen erfolgen.
Doppelte Lagerung mit „Back-Up“
Hunderte dieser wertvollen Proben werden zur Sicherheit bereits an zwei Orten gelagert, im saarländischen Sulzbach und am EMB in Lübeck, wo demnächst nach dem saarländischen Modell eine moderne Kryobank entstehen wird. Beide Standorte bilden das Lebendarchiv, das der Dokumentation der Tierwelt und der Forschung dient.
Bei Bedarf tauen Fraunhofer-Wissenschaftler eine Probe auf, vermehren die Zellen und versenden sie weltweit. Allerdings darf ein Teil als sicherer Bestand, die sogenannte „Back-up-Reserve“, nicht angetastet werden. Weltweit gibt es nur wenige ähnliche Einrichtungen wie den „CRYO-BREHM“, etwa den „Frozen Zoo“ in San Diego (USA), die „Frozen Ark“ in Großbritannien und die russische „Specialised Collection of Domestic and Wild Animals“.
Die Zusammenarbeit mit bisher drei zoologischen Gärten in der Freien Hansestadt Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland garantiert ein kontinuierliches Anwachsen der Bestände. Bei dieser generationsübergreifenden Mission ist bei vielen Tierarten keine Eile geboten, bei anderen schon.
(Fraunhofer Gesellschaft, 28.05.2008 – NPO)