Physik

Starke Kernkraft wirkt auch auf Antimaterie

Teilchenphysiker messen erstmals Wechselwirkung von zwei Antiprotonen miteinander

Wechselwirkung zweier Antiprotonen © Brookhaven National Laboratory

Überwundene Abstoßung: Zum ersten Mal haben Physiker beobachtet, wie sich zwei Antiprotonen gegenseitig beeinflussen. Diese Antimaterie-Teilchen sind demnach der starken Kernkraft unterworfen und ziehen sich gegenseitig an – obwohl sie die gleiche Ladung tragen. Die starke Kernkraft wirkt damit auf Antiprotonen genauso wie auf normale Protonen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Hier scheint sich der Symmetriebruch zwischen Materie und Antimaterie daher eher nicht zu verbergen.

Antimaterie ist der Gegenpart der uns umgebenden Materie. Nach dem Standardmodell der Physik besitzen diese Antiteilchen zwar die entgegengesetzte Ladung und sind spiegelverkehrt, sollten aber ansonsten die gleichen Eigenschaften wie die normalen Elementarteilchen besitzen – eigentlich. Erst vor kurzem bestätigten Experimente beispielsweise ein identisches Masse-Ladungsverhältnis bei Protonen und Antiprotonen.

Wo steckt der Symmetriebruch?

Das Problem dabei: Wenn es wirklich eine vollkommene Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie gibt, dann erklärt dies nicht, warum in unserem Universum heute die Materie so stark dominiert. Deshalb versuchen Physiker schon seit Jahrzehnten, doch einen Symmetriebruch bei der Antimaterie zu entdecken. „Alles, was wir über die Natur der Antimaterie lernen können, kann dazu beitragen, dieses Rätsel zu lösen“, sagt Aihong Tang von der STAR Collaboration am Brookhaven National Laboratory.

Er und seine Kollegen haben deshalb nun eine weitere Eigenschaft der Antimaterie überprüft: die Interaktion zwischen zwei Antiprotonen. In den Atomkernen der normalen Materie sorgt die starke Kernkraft dafür, dass sich die Protonen trotz ihrer positiven Ladung nicht abstoßen, sondern zusammenhalten. Dass etwas Ähnliches auch Atomkerne aus Antimaterie zusammenhält, legte die Erzeugung von Anti-Helium-4 nahe.

Physiker vor dem STAR Detektor des Teilchenbeschleunigers RHIC in Brookhaven © Brookhaven National Laboratory

Goldkollisionen als Werkzeug

Dafür werteten die Physiker Daten des Teilchenbeschleunigers Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) aus, in dem Goldkerne mit hoher Energie aufeinander geschossen werden. Bei diesen Kollisionen entstehen neben normalen Teilchen auch Antiprotonen: „Sie sehen zwar wie normale Protonen aus, weil die aber eine negative Ladung haben, ist ihre Flugbahn im Magnetfeld des Detektors in die entgegengesetzte Richtung gekrümmt“, erklärt Tangs Kollege Zhengqiao Zhang.

Aus den Unmengen an Teilchen suchten die Physiker sich Paare von Antiprotonen heraus, die dicht nebeneinander im Detektor einschlugen. Durch Messdaten bestimmter Parameter und Vergleiche mit einzeln eintreffenden Antiprotonen konnten sie auf mögliche Interaktionen dieser beiden Antiteilchen schließen.

Kein Symmetriebruch in Sicht

Tatsächlich wurden die Forscher fündig: Ihre Analysen belegen, dass auch zwischen den Antiprotonen eine Starke Kernkraft wirkt. „Wir zeigen, dass die Kraft zwischen zwei Antiprotonen anziehend wirkt“, berichten Tang und seine Kollegen. Wenn die Antiteilchen einander nah genug sind, überwindet die Anziehung der Starken Kernkraft die abstoßende Wirkung der gleichen Ladung beider Antiprotonen.

Und noch etwas zeigten die Daten: Die Starke Kernkraft scheint auf die Antiprotonen genauso zu wirken wie auf Protonen. Unterschiede in Stärke und Ausprägung waren zumindest in diesen Experimenten nicht festzustellen. „Unsere gemessenen Parameter stimmen innerhalb der Fehlergrenzen mit denen für die Proton-Proton-Wechselwirkung überein“, konstatieren die Forscher. Der lange gesuchte Symmetriebruch scheint sich demnach auch hier nicht zu verstecken – zumindest nicht auf eine sehr sichtbare Weise. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature15724)

(DOE/ Brookhaven National Laboratory, 05.11.2015 – NPO)

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