Er rast mit mehr als 400.000 Kilometern pro Stunde durch das Weltall, ist extrem heiß und massereich und passte lange Zeit in kein Schema: Der Stern 30 Dor #016. Jetzt haben ihn Astronomen als „Ausreißer“ identifiziert – als stellaren Riesen, der durch einen noch schwereren aus seinem heimischen Sternenhaufen ausgeschleudert wurde. Die in „The Astrophysical Journal Letters” veröffentlichten Erkenntnisse eröffnen ein ganz neues Bild zum Verhalten massereicher Sterne und auch zum Ort des Geschehens, dem Tarantelnebel.
Der Tarantelnebel, auch 30 Doradus genannt, ist eine der Sternenwiegen des Universums. 170.000 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt er in der Nähe der Großen Magellanschen Wolke, einem der galaktischen Nachbarn der Milchstraße. Inmitten des Tarantelnebels stießen Astronomen bereits 2006 auf einen Stern, der nicht ins übliche Bild passte: Er ist außergewöhnlich heiß, blauweiß-leuchtend und extrem massereich, dabei aber weit von jedem Sternenhaufen entfernt, in dem sich solche massereichen Sternen normalerweise finden.
2009 lieferte das Weltraumteleskop Hubble weitere Hinweise zur ungewöhnlichen Natur des 30 Dor #016 getauften Sterns, als das Hubble-Serviceteam diesen wegen seiner Helligkeit zum Kalibrieren des UV-Spektrometers nutzte. Dabei stellte sich heraus, dass 30 Dor #016 einen wahren Sturm von geladenen Teilchen ausstößt – ein klares Anzeichen für eine Masse mehr als 90-fach größer als die der Sonne. Da Sterne dieser Masse normalerweise nur wenige Millionen Jahre leben, musste auch dieser noch sehr jung sein. Aber woher stammte er? Denn er konnte nicht an Ort und Stelle, weit entfernt von jedem nährenden Staub- und Gasnebel gebildet worden sein.
Ausreißer aus Sternenhaufen
Eine erste Spur ergab sich aus einer älteren Aufnahme des Hubble-Teleskops aus dem Jahr 1995, die 30 Dor #016 am Ende einer eiförmigen, von leuchtenden Säumen umgebenen Spur zeigte. Das Ende der Spur wies direkt auf den Sternenhaufen R136 im Nebel 30 Doradus. Astronomen der Europäischen Südsternwarte nahmen daraufhin in diesem Jahr den Stern mit Hilfe der spektroskopischen Instrumente am Very Large Telescope (VLT) in Chile erneut ins Visier – und lösten das Rätsel.